Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → LEBENSRÄUME


MELDUNG/456: Erneut Bach in EU-Schutzgebiet abgebaggert (LBV)


Gemeinsame Presseinformation von LBV und BN 12. Dezember 2022

Erneut Bach in EU-Schutzgebiet abgebaggert

Unbekannte haben im Landkreis Forchheim den Eggerbach massiv beschädigt - BN hat Anzeige gestellt - LBV beurteilt Schäden als kaum wiederherstellbar


Forchheim/Hilpoltstein, 12.12.2022 - Nachdem vor einigen Wochen bereits im Allgäuer Rappenalptal ein Bachlauf in einem streng geschützten Naturschutzgebiet ohne Genehmigung zerstört wurde (*), ist ein ähnliches Vergehen im nördlichen Landkreis Forchheim entdeckt worden. Dort wurden durch Baggerarbeiten rund 25 Meter des Eggerbachs zerstört, dessen Sinterbecken und -terrassen als einzigartiger Lebensraum für geschützte Tiere und Pflanzen dienen und deswegen in einem sogenannten FFH-Schutzgebiet (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) durch europäisches Recht streng geschützt sind. Auch hier handelt es sich um einen nicht genehmigten, massiven Eingriff in einen besonders geschützten Lebensraum. Auch dieser Naturfrevel hat wohl einen unwiederbringlichen Schaden angerichtet, so die erste Einschätzung der LBV-Quellenexpertin Eva Schubert. Wer dafür verantwortlich ist, ist bisher noch nicht bekannt. Der BUND Naturschutz hat bereits Strafanzeige gestellt.

Die von der Zerstörung betroffenen, sogenannten Kalktuffquellen genießen als prioritärer Lebensraum besonders strenge Schutzvorschriften innerhalb der EU. Durch bislang ungeklärte Umstände ist jedoch im November ein ungefähr 25 Meter langer Abschnitt des Bachlaufes ausgebaggert worden. Auf diese Weise wurde der Lebensraum des Naturdenkmals nachhaltig gestört und die Fläche teilweise sogar komplett zerstört. Vertreter der Naturschutzverbände LBV und des BN haben sich deshalb vor Ort getroffen, um sich ein Bild von der Lage zu machen und die Schäden zu dokumentieren. Die BN-Ortsgruppe Hallerndorf-Eggolsheim hat in den letzten eineinhalb Jahren an der Quelle des Eggerbaches bereits einige bedenkliche Vorgänge dokumentieren können.

"Der jetzige Eingriff in den Bachlauf ist allerdings besonders gravierend. Leider wissen wir nicht, wer dafür verantwortlich ist. Für uns war es daher zwingend nötig, die Vorgänge auch anzuzeigen. Wir hatten auf der Fläche bereits einen Termin mit der Polizei und der unteren Naturschutzbehörde", erklärt Edi Zöbelein von der BN-Ortsgruppe. Die Sinterterrassen im Eggerbach sind als Naturdenkmal nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 28 besonders geschützt und liegen außerdem in einem europäischen FFH-Schutzgebiet.

Die Beseitigung, Beschädigung oder Zerstörung eines Naturdenkmals ist gesetzlich verboten. "Wir möchten an dieser Stelle nochmals klarstellen, dass wir in dieser Sache Aufklärung haben möchten. Die Zeiten, in denen solche Frevel an der Natur unter den Teppich gekehrt werden können, sind vorbei", so Zöbelein weiter. Aufgrund einer Quellrenaturierungsmaßnahme vor zwei Jahren in unmittelbarer Nähe ist die LBV-Biologin Eva Schubert eine Gebietskennerin des einzigartigen Lebensraums am Eggerbach: Durch die mutwillige Zerstörung der gewachsenen Sinterstrukturen ist ein massiver Schaden entstanden. "Es ist ungewiss, ob sich der Bachlauf an dieser Stelle nochmal erholen kann. Der Bach wurde regelrecht kanalisiert. Auf diese Weise wird auch der Lebensraum von Insekten oder dem hier nachgewiesenen Feuersalamander nachhaltig gestört", so die LBV-Quellenexpertin Schubert. Durch das illegale Abbaggern ist die Fließgeschwindigkeit an diesem Teilabschnitt des Bachs nun deutlich erhöht, doch gerade die Larven des streng geschützten und in Bayern vom Aussterben bedrohten Feuersalamanders benötigen Stillwasserzonen in Bächen und Quellen. "Der Verlust solcher Strukturen ist einer der Hauptgründe für die Gefährdung des Feuersalamanders. Der jetzt zerstörte Teil des Bachlaufes war in Fachkreisen dafür bekannt, dass man in den Sinterbecken stets Feuersalamanderlarven vorfinden konnte", ergänzt Schubert abschließend.

Hintergrund:
Die Sinterterrassen im Eggerbach nördlich von Tiefenstürmig (Lkr. Forchheim) sind ein Naturdenkmal und liegen im FFH-Gebiet "Albtrauf von der Friesener Warte zur Langen Meile". Auf einer Strecke von rund 900 Metern haben sich in dem Geotop im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Tuffkaskaden gebildet. Die Entstehung solcher Kaskaden setzt einen bestimmten Prozess voraus, bei dem durch die Ausfällung von Kalktuff diese schönen Strukturen über Jahrzehnte hinweg entstehen.

Über den LBV
1909 gegründet ist der LBV - Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e. V. - der älteste Naturschutzverband in Bayern und zählt aktuell über 115.000 Unterstützerinnen und Unterstützer. Der LBV setzt sich durch fachlich fundierte Natur- und Artenschutzprojekte sowie Umweltbildungsmaßnahmen für den Erhalt einer vielfältigen Natur und Vogelwelt im Freistaat ein.
Mehr Infos: www.lbv.de/ueber-uns

(*) weitere Informationen siehe:
LBV: Strafanzeige gegen Ausbaggern des Rappenalpbachs
https://www.lbv.de/presse/?file=files/user_upload/Presse/2022/A-123-22%20Strafanzeige%20gegen%20Ausbaggern%20des%20Rappenalpbachs.pdf
Naturjuwel wird durch angekündigte Hochwasserschutzmaßnahmen womöglich noch weiter geschädigt
https://www.lbv.de/presse/?file=files/user_upload/Presse/2022/A-130-22%20Statement%20Beran%20Rappenalpbach.pdf
Naturnaher Wildbach in Allgäuer Hochalpen zerstört
https://www.bund-naturschutz.de/fileadmin/Bilder_und_Dokumente/Presse_und_Aktuelles/2022/Alpen/PM_BN_KG_Zerst%C3%B6rung_im_FFH-Gebiet_Rappenalptal.pdf
BN zieht Bilanz der fatalen Umweltzerstörung
https://www.bund-naturschutz.de/fileadmin/Bilder_und_Dokumente/Presse_und_Aktuelles/2022/Natur_und_Landschaft/PM_LFGM_103_22_Rappenalpbach.pdf
https://www.bund-naturschutz.de/fileadmin/Bilder_und_Dokumente/Presse_und_Aktuelles/2022/Alpen/Position_BN_Zerst%C3%B6rung_Rappenalpbach.pdf

*

Quelle:
LBV und BN, Gemeinsame Pressemitteilung, 12.12.2022
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV)
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
E-Mail: presse@lbv.de
Internet: www.lbv.de
BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN)
Dr.-Johann-Maier-Straße 4, 93049 Regensburg
E-Mail: info@bund-naturschutz.de
Internet: www.bund-naturschutz.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 13. Dezember 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang