Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung - 05.12.2022 14:23
Vor der UN-Weltnaturkonferenz COP15: Zehn "Must-Dos" aus der Biodiversitätsforschung
Bis 2030 sollten 30 Prozent des Landes und der Meere unseres Planeten unter Schutz gestellt werden. Alle zur Schädigung von Natur führenden Subventionen sollten umgelenkt werden. Das sind zwei der Empfehlungen aus den "10 Must-Dos" des Leibniz-Forschungsnetzwerks Biodiversität. Die Forschenden veröffentlichen ihre Vorschläge aus Anlass der Weltnaturkonferenz COP15 der Vereinten Nationen, die am Mittwoch im kanadischen Montreal beginnt.
"Die Natur bietet die Lebensgrundlagen der Menschheit - diese Lebensgrundlagen müssen wir sichern", erklärt Kirsten Thonicke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Sprecherin des Forschungsnetzwerks. "Die Natur nützt uns, aber wir schaden der Natur. Das Artensterben, der Klimawandel, die Schädigung natürlicher Lebensräume - am Ende trifft all das uns selbst. Wenn etwa Wälder schrumpfen, durch Rodung oder zunehmende Dürren, dann mindert das ihre Leistung als Kohlenstoffsenken und für gesunde Wasserkreisläufe. Es geht ums Ganze. Deshalb diese "10 Must-Dos"."
Die Forschenden stützen sich bei ihren Empfehlungen auf den Stand der Forschung, wie er unter anderem in Berichten der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) veröffentlicht wurde. Die bevorstehende COP15, Biodiversitäts-Konferenz der Vereinten Nationen, an der unter dem Vorsitz Chinas Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen fast aller Staaten weltweit teilnehmen, soll zu einer globalen Rahmenvereinbarung für den Erhalt der Artenvielfalt führen. Das Ergebnis ist offen.
"Der Weltnaturgipfel in Montreal entscheidet über das Schicksal der Biodiversität", sagt Katrin Böhning-Gaese vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, die bereits selbst an Biodiversitäts-Konferenzen der Vereinten Nationen und des Weltbiodiversitätsrats teilgenommen hat. "Artenvielfalt ist kein Luxus. Sie sichert unsere menschliche Existenz. Biodiversität liefert Nahrung, sauberes Wasser und Medikamente. Sie sorgt dafür, dass Ökosysteme funktionieren. Wir brauchen biologische Vielfalt für unsere Gesundheit, unsere Identität. Damit geht es auf dem Weltnaturgipfel um die Frage, ob wir und unsere Kinder und Enkelkinder in Zukunft gut auf der Erde leben können."
Dabei geht es konkret auch um Geld. Allein in der Landwirtschaft fließen jährlich rund 540 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Subventionen - diese Mittel sollten so eingesetzt werden, dass sie Natur erhalten statt zerstören, heißt es in den "10 Must-Dos". "Statt umweltschädliche Subventionen zu verteilen sollten die Mittel genutzt werden, um Biodiversität zu erhalten", so der Ökonom Martin Quaas vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). "Denn es sollte sich für Landwirtinnen und Landwirte auch wirtschaftlich lohnen, Leistungen der Ökosysteme zu erhalten, die für uns alle wertvoll sind."
Almut Arneth, Karlsruher Institut für Technologie:
"Biodiversität, die Vielfalt an Genen, Organismen und Ökosystemen ist
schlichtweg die Lebensgrundlage, die das Überleben des Menschen sichert.
Warum wir Menschen es nicht schaffen, den fortschreitenden
Biodiversitätsverlust aufzuhalten und letztlich somit unsere eigene
Existenzgrundlage in Frage stellen -wie übrigens auch im Falle des
fortschreitenden Klimawandels- ist schleierhaft. Besonders 'sapiens' ist es
auf jeden Fall nicht."
Aletta Bonn, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Deutsches Zentrum
für integrative Biodiversitätsforschung:
"Natürlich gesund und glücklich! Wir sollten Biodiversität, Klima und
Gesundheit zusammendenken, denn unser Wohlbefinden hängt von einer gesunden
Natur ab. Wenn wir Natur als unsere Lebensgrundlage und auch als
Genussfaktor begreifen, können wir nachhaltige, naturbasierte Lösungen für
unsere großen gesellschaftlichen Herausforderungen finden."
Bettina Matzdorf, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung:
"Wir brauchen klare umweltpolitische Rahmenbedingungen für die
Landwirtschaft und ein langfristig ausgerichtetes, flexibles
Honorierungssystem für Biodiversität und andere Ökosystemleistungen. Wir
werden nur gemeinsam mit motivierten Landwirtinnen und Landwirten die
vielfältigen Agrarlandschaften entwickeln, die für den Erhalt der
Biodiversität notwendig sind."
Bernhard Misof, Leibniz-Institut zur Analyse des Biodoversitätswandels:
"Biodiversitätsschutz heißt Zukunft sichern. Wir sehen, dass trotz vieler
jahrzehntelanger Warnungen wir es nicht geschafft haben, eine Trendwende im
globalen Biodiversitätsverlust einzuleiten. Eine Zukunft für nachfolgende
Generationen ist daher unsicher. Der unbefriedigende Ausgang des Global
Climate Summit in Ägypten ist ein Ausdruck dieser mangelnden
Handlungsfähigkeit. Wir als Wissenschaftler sind gefordert, klare und
eindeutig anwendbare Bemessungslogiken zum Schutz der Biodiversität
vorzuschlagen als Grundlage politischer Entscheidungen und
gesellschaftlicher Entwicklungen. Auch die Wissenschaft ist in einer
Bringschuld."
Tonjes Veenstra, Leibniz-Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaften:
"Etwa 5.000 indigene Völker, die noch auf der Erde leben, sind als Jäger,
Sammler und Fischer auf eine intakte Natur angewiesen. Mit dem Verlust
ihrer Sprachen verlieren wir nicht nur ihr Wissen über die biologische
Vielfalt, sondern auch ihr traditionelles ökologisches Wissen, das für die
Erhaltung und den Schutz ihres natürlichen Lebensraums von entscheidender
Bedeutung ist. Daher ist die Vergabe von Landtiteln an indigene Völker und
lokale Gemeinschaften von größter Bedeutung für den Erhalt ihres Wissens
über die Umgebung, in der sie leben."
Wolfgang Wende, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung:
"Die Renaturierung und die umfangreiche Wiederherstellung von Lebensräumen
für mehr biologische Vielfalt ist eine echte Zukunftsaufgabe, aber
angesichts des Artensterbens dringend geboten, sagt Prof. Dr. Wolfgang
Wende vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung."
Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität:
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Weitere Einrichtungen:
Originalpublikation:
https://zenodo.org/record/7322802#.Y43Irn3MJaR
Weblink zu den "10 Must-Dos aus der Biodiversitätsforschung":
https://zenodo.org/record/7322802#.Y43Irn3MJaR
Weblink zum Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität:
https://www.leibniz-biodiversitaet.de/
Weblink zur UN-Weltnaturkonferenz COP15:
https://www.unep.org/events/conference/un-biodiversity-conference-cop-15
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung - 05.12.2022 14:23
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Dezember 2022
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