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REPRESSION/1409: Israelische NGOs als Agenten ausländischer Mächte diffamiert (SB)



Am 5. Januar 2011 hat die Knesset beschlossen, eine Untersuchungskommission damit zu beauftragen, die Finanzierung von israelischen Nichtregierungsorganisationen zu überprüfen. Damit zieht Israel die Schraube der Repression gegen Kritiker seiner Regierungspolitik eine volle Umdrehung enger und legt einheimischen Gruppen weitere Fesseln an, die man bislang zwar als Nestbeschmutzer diffamieren, aber nicht mit dem Vorwurf traktieren konnte, sie seien Feinde Israels oder gar Antisemiten, wie dies gegenüber vielen ausländischen NGOs praktiziert wird. Da es sich um israelische Staatsbürger handelt, liefe die Behauptung, sie hätten keine Kenntnis der Verhältnisse im Land, ebenso ins Leere wie der Versuch, ihnen das Recht abzusprechen, sich in bestehende Konflikte einzumischen.

Mögen es auch nur wenige Menschen sein, die sich der Drift der israelischen Gesellschaft in zunehmend bellizistisches und rassistisches Fahrwasser entgegenstemmen, so sind sie doch Zeuge und Stimme in einem zunehmend repressiven Klima, deren Glaubwürdigkeit im In- und Ausland die politische Führung in ihrem Drang, jeden Widerstand zum Schweigen zu bringen, fürchten muß.

Der Gesetzesentwurf, der im Herbst 2010 von der Regierungspartei Premierminister Benjamin Netanjahus in die Knesset eingebracht worden war, zielt darauf ab zu ermitteln, wie "israelisch" die überprüften Organisationen sind, die als integrale Bestandteile des "internationalen politischen Kriegs gegen Israel" aufgefaßt werden. Werden sie in erheblichen Teilen von ausländischen Regierungen finanziert, dürfen sie dieser Logik zufolge nicht für sich in Anspruch nehmen, israelisch zu sein. Handelt es sich demnach bei B'Tselem, Yesh Din, Physicians for Human Rights - Israel, Breaking the Silence, Bimkom, Peace Now, Gush Shalom, Adalah, der Geneva Initiative, dem Committee for Peace and Security und einer Reihe weiterer mißliebiger Organisationen nicht um israelische Basisgruppen, sondern die fünfte Kolonne ausländischer Regierungen, kann man den Respekt nachhaltig untergraben, den sie in einheimischen Medien genießen, und ihre Glaubwürdigkeit im Ausland torpedieren. [1]

Wie der Sprecher der offiziellen Delegation Israels bei der EU, Gerrit Meester, im Oktober 2010 erklärte, liege der Fokus des geplanten Gesetzes auf öffentlichen Geldern aus dem Ausland, weil diese Art der Förderung transparent sein müsse, um zu verhindern, daß sich ausländische Regierungen in die internen Angelegenheiten eines anderen demokratischen Staates einmischen. Nimmt man jedoch unter die Lupe, gegen welche NGOs sich diese Initiative richtet, wird rasch deutlich, daß es sich dabei um regierungskritische Gruppen handelt, die wie die meisten eher links orientierten israelischen NGOs Gelder aus der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten erhalten. Ausgenommen von der Gesetzesinitiative sind hingegen NGOs, die von privaten Stiftungen beispielsweise aus den USA finanziert werden, wovon viele Organisationen profitieren, die wie die Siedlerbewegung dem rechten Spektrum angehören. [2]

Der Verdacht, man habe es mit einer gezielte Kampagne gegen regierungskritische Organisationen zu tun, die als Vaterlandsverräter gebrandmarkt und ihrer Akzeptanz in der Öffentlichkeit beraubt werden sollen, ist nicht aus der Luft gegriffen. So berichtete die Sprecherin der NGO Ir Amim, Orly Noy, die Menschen begegneten ihnen immer mißtrauischer und liehen zunehmend jenen Stimmen ihr Ohr, die jedes Eintreten für die Palästinenser durch israelische Bürger zu einem Akt subversiver Unterwanderung durch feindliche ausländische Kräfte erklären.

Zu den einflußreichsten Propagandisten dieser Couleur gehört die von dem Politologen und ehemaligen Regierungsberater Gerald Steinberg geleitete Organisation "NGO Monitor". Diese listet auf ihrer Internetseite alle europäisch geförderten Menschenrechtsgruppen auf und nimmt politische Einordnungen vor. Steinberg spricht im Zusammenhang mit diesen NGOs von einem "neuen Antisemitismus" und wirft ihnen undifferenzierte Parteinahme für die Palästinenser vor. So behauptete er in seinem Text "European NGOs against Israel" aus dem Jahr 2005, diesen NGOs fehle eine Sensibilität dafür, wohin die Tradition des christlichen Antisemitismus geführt hat. Sie hätten einen neuen Weg gefunden, um die Juden für das Böse verantwortlich zu machen. Diese Deutlichkeit wird man zwar in offiziellen Stellungnahmen Israels selten finden, doch empfiehlt dessen diplomatische Vertretung bei der EU in Brüssel Steinberg als Gesprächspartner zum Thema NGOs.

Ungeachtet der Unterstützung israelischer Regierungspolitik durch die europäischen Staatsführungen ging die Unterstellung, die Förderung von NGOs in Israel durch europäische Gelder sei ein feindlicher Akt, zumindest der EU-Kommission in Brüssel entschieden zu weit. Sie begrüßte im Herbst eine zwischenzeitlich erfolgte tendentielle Entschärfung der Gesetzesvorlage, erklärte aber zugleich, diese werde sie nicht hindern, die Zivilgesellschaft in Israel auch künftig zu unterstützen. Mittel, Druck auf die israelische Regierung auszuüben, besäße die EU durchaus, schließlich liegen die Verhandlungen über den von Israel gewünschten besseren Zugang zum europäischen Markt auf Eis, seit mehrere EU-Staaten das Massaker im Gazastreifen vor zwei Jahren nicht widerspruchslos hingenommen haben.

Wer im offensichtlichen Kräfteverhältnis zwischen der mit westlicher Finanzierung hochgerüsteten Militärmacht Israel und den Palästinensern für die weitaus schwächere Seite Partei ergreift und deren unausgesetzte Drangsalierung beim Namen nennt, ist laut israelischer Regierungsdoktrin ein Feind Israels. Sofern es sich bei solchen Kritikern um israelische NGOs handelt, werden diese nach Lesart des soeben verabschiedeten Gesetzes als subversive Agenten ausländischer Mächte diskreditiert, die sich antiisraelische Politik auf die Fahnen geschrieben haben.

Eine Minderheit der Knesset-Abgeordneten verurteilte den Gesetzentwurf als undemokratisch und zog Parallelen zur McCarthy-Ära, die sich zwangsläufig aufdrängen. So naheliegend diese Assoziation mit einem ähnlich gelagerten historischen Vorläufer sein mag, hat dieser Rückgriff doch seine Grenzen und Tücken. Zum einen befördert er allzu leicht die Beschwichtigung, so schlimm wie seinerzeit unter dem amoklaufenden Kommunistenfresser sei es ja wohl nicht, schließlich habe niemand vor, gewisse NGOs für illegal zu erklären. Da es jedoch wenig bedarf, um diesen Einwand mit dem Zusatz "noch nicht" zu seiner absehbaren Folgekonsequenz zu vervollständigen, ist die präzise Analyse des aktuellen Regimes geboten, das fortgesetzt Verhältnisse legalisiert, die kaum noch mit dem Anspruch vereinbar sind, es handle sich um die einzige Demokratie in dieser Weltregion.

Anmerkungen:

[1] Caroline Glick on the NGO investigation (07.01.11)
http://israelmatzav.blogspot.com/2011/01/caroline-glick-on-ngo- investigation.html

[2] Schwere Zeiten für Israels NGOs (21.10.10)

http://www.dw-world.de/dw/article/0,,6125249,00.html

7. Januar 2011