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REPRESSION/1319: UNO will Israels Geheimgefängnisse inspizieren (SB)



Seit den frühen Tagen seiner Gründung hat der Staat Israel für essentiell erachtete Segmente industrieller, militärischer und administrativer Komplexe ganz oder teilweise unter die Erde verlegt, um sie dem Blick potentieller Beobachter oder Angreifer zu entziehen. Aus der Not beengter geographischer Verhältnisse und politischer Unwägbarkeiten geboren, wuchs diese klandestine Vorgehensweise zu einem umfassenden Schirm der Geheimhaltung heran, der nicht nur verbirgt, was nicht gesehen werden soll, sondern darüber hinaus auch tabuisiert, was man dem Denken und Fragen zu entziehen trachtet.

Ein klassisches Beispiel ist das israelische Atomwaffenprogramm, das zu einer beispiellosen Aufrüstung eines vergleichsweise kleinen Landes führte, über die man kaum je ein Wort verlor. Als sei die einzige Nuklearmacht in dieser Weltregion regelrecht ausgeblendet, gab das vollständige Fehlen jeder Information über dieses Arsenal zu keinem Zeitpunkt Anlaß, ernsthaft Kontrollen anzumahnen oder gar mit Sanktionen zu drohen. Dies mutet um so erstaunlicher an, als angeblich geplante oder entwickelte Massenvernichtungswaffen in Händen regionaler Rivalen den Vorwand zu schärfsten Maßnahmen bis hin zu Angriffskriegen lieferten, ohne daß die unterstellten Potentiale glaubhaft nachgewiesen werden konnten.

Nun hat das Antifolterkomitee der Vereinten Nationen die Aufmerksamkeit auf einen anderen Sektor der israelischen Sicherheitsarchitektur gelenkt, der nicht minder im Verborgenen betrieben wird und bislang kaum Eingang in die öffentliche Debatte gefunden hat. Das UN-Gremium fordert Israel auf, den Standort der offiziell als "Facility 1391" ausgewiesenen Einrichtung bekanntzumachen, dem internationalen Komitee vom Roten Kreuz Zugang zu gewähren sowie mitzuteilen, ob weitere Geheimgefängnisse existieren. (Counterpunch 18.05.09)

Die israelische Regierung hat es bislang abgelehnt, Aufschluß über den genauen Standort der "Facility 1391" zu geben. Soweit bekannt, befindet sich die Einrichtung etwa hundert Kilometer nördlich von Jerusalem und liegt größtenteils unter der Erde. Zwar wurde die Existenz des Gefängnisses eingeräumt, doch zugleich bestritten, daß sich derzeit Gefangene darin befinden. Das UN-Antifolterkomitee zeigte sich besorgt, daß ohne eine Inspektion des Gefängnisses nicht gewährleistet sei, daß es entgegen diesen Angaben nicht doch genutzt wird oder kurzfristig belegt werden kann. Zudem sollten israelische Gerichte sicherstellen, daß alle Vorwürfe ehemaliger Insassen der "Facility 1391", sie seien darin mißhandelt und gefoltert worden, rückhaltlos geprüft und die Ergebnisse dieser Untersuchungen veröffentlicht werden.

Nach Angaben israelischer Menschenrechtsgruppen wurden in diesem Geheimgefängnis arabische und muslimische Gefangene festgehalten und gefoltert. Die Existenz der Einrichtung wurde bereits 2002 bekannt, als erstmals Palästinenser darin eingekerkert und mißhandelt wurden. Nachdem Angehörige zweier verschwundener Cousins aus Nablus nicht lockerließen, räumten die Behörden schließlich ein, daß die beiden an einem geheimen Ort festgehalten würden. Wie Mohammed und Bashar Jadallah später aussagten, habe man sie in Isolationshaft gehalten, bedroht, erniedrigt und gefoltert.

Wenig später reichte der Libanese Mustafa Dirani Klage wegen Folter in der "Facility 1391" ein, wo er nach seiner Gefangennahme 1994 gemeinsam mit Sheikh Abdel Karim Obeid von der Hisbollah acht Jahre lang festgehalten worden war. Dirani berichtete im Prozeß von den Mißhandlungen, doch wurde das Verfahren Anfang 2004 eingestellt, als er im Zuge eines Gefangenenaustauschs freikam.

Zwangsläufig erinnern die Berichte über "Facility 1391" an das US-Gefangenenlager auf dem Stützpunkt Guantánamo Bay, wobei als wesentlicher Unterschied ins Auge sticht, wie wenig über das israelische Geheimgefängnis bekannt ist. Weder weiß man, wie viele Gefangene dort im Laufe der Jahre festgehalten wurden, noch kennt man die Zahl möglicher weiterer geheimer Kerker im Land. Nicht auszuschließen ist zudem, daß dort auch Menschen inhaftiert wurden, die vom US-Geheimdienst verschleppt worden sind.

Der Oberste Gerichtshof Israels hat der Administration im Jahr 2005 eine angemessene Handlungsweise attestiert, wenn sie den Foltervorwürfen in diesem Gefängnis nicht nachgeht. Wie das UN-Antifolterkomitee zudem bilanziert, sind seit 2001 Foltervorwürfe ehemaliger Insassen israelischer Gefängnisse gegen den Inlandsgeheimdienst Shin Bet in mehr als 600 Fällen unüberprüft geblieben. Das läßt befürchten, daß das UN-Gremium auch bei seinem aktuellen Vorstoß auf Granit beißen oder besser gesagt gegen eine Nebelwand systematischer Verschleierung laufen wird, die das Sprichwort "aus den Augen - aus dem Sinn" auf furchterregende Weise perfektioniert hat.

28. Mai 2009