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USA/388: Atomabkommen mit dem Iran - Kritik an rechtskonservativen Kongressabgeordneten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Juli 2015

Iran: "Erfolgreiche Verhandlungen erfordern Kompromiss" - Kritik an rechtskonservativen US-Kongressabgeordneten

von Thalif Deen


Bild: © UN

Der UN-Sicherheitsrat billigt einstimmig die Resolution 2231 (2015) nach dem historischen Atomabkommen vom 14. Juli in Wien
Bild: © UN

NEW YORK (IPS) - Mit ihrem einstimmigen Votum für das am 14. Juli in Wien erreichte Atomabkommen mit dem Iran haben die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates nicht nur eine historische Einigung erzielt. Sie vereitelten damit auch den Versuch rechtskonservativer US-Abgeordneter, eine Verschiebung der Abstimmung zu erreichen.

Zu einer für UN-Verhältnisse frühen Stunde stellte sich der UN-Sicherheitsrat am 20. Juli hinter den von seinen fünf ständigen Mitgliedern USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland plus Deutschland (P5+1) über Monate verhandelten Atomdeal.

Laut 'New York Times' hatten Senator Bob Corker, ein Republikaner aus Tennessee und Vorsitzender des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen, und Senator Benjamin Cardin aus Maryland, ein weiteres hochrangiges Mitglied des Ausschusses, in einem gemeinsamen Schreiben US-Präsident Barack Obama aufgefordert, das Votum des UN-Sicherheitsrats solange zu verschieben, bis der US-Kongress seine eigene diesbezügliche Entscheidung getroffen habe.

Sie vertraten trotz der Tatsache, dass es sich bei dem Übereinkommen um ein internationales und nicht bilaterales Vertragswerk handelt, die Auffassung, dass die USA politisch und diplomatisch den Vorrang vor den Vereinten Nationen haben müssten. US-Außenminister John Kerry, einer der Chefunterhändler des Übereinkommens, kommentierte den Vorstoß in einem TV-Interview mit den Worten: "Es ist vermessen anzunehmen, dass sich Frankreich, Russland, China, Deutschland und Großbritannien vom US-Kongress Vorschriften machen lassen."

Wie Stephen Zunes, Politikwissenschaftler und Koordinator des Zentrums für Nahost-Studien an der Universität von San Francisco, gegenüber IPS erklärte, sind die USA das einzige Land der sieben Unterzeichnerstaaten (P5+1 und Iran), in dem der Atomdeal mit dem Iran, den internationale Strategieexperten als bestmögliches realistisches Ergebnis bewertet hatten, auf starken Widerstand stieß.


Kompromiss statt Kapitulation

"Manche Leute können sich einfach nicht damit abfinden, dass wir in einer zunehmend pluralistischen und komplexen Welt leben, in der die USA nicht einfach ihren Willen durchsetzen können, wie immer es ihnen beliebt", fügte er hinzu. Erfolgreiche Verhandlungen erforderten Kompromissbereitschaft und nicht die Kapitulation einer Seite, fügte er hinzu.

Norman Solomon vom 'Institute for Public Accuracy' mit Sitz in Washington, sprach gegenüber IPS von der Schwierigkeit, etlichen Kongressabgeordneten zu vermitteln, dass die US-Regierung nicht über die Welt und bisweilen auch nicht über den UN-Sicherheitsrat bestimmen könne.

Solomon zufolge dürfte diese letzte Erfahrung bei vielen Republikanern und einigen Demokraten im Kapitol einen Schock ausgelöst haben. Diese Politiker würden zwar nie das Wort 'Hegemonie' in den Mund nehmen, seien aber der festen Überzeugung, dass die USA die Welt erhellen und ihr Licht nicht unter den Scheffel zweifelhafter internationaler Entscheidungen stellen sollten.

"Ich weiß nicht, ob man über diese gefährliche Arroganz der US-Abgeordneten, die das Abkommen mit dem Iran am liebsten kippen wollen, lachen oder weinen soll", fügte Solomon, Gründer und Koordinator von 'RootsAction.org', einer Online-Aktionsgruppe mit 600.000 aktiven Unterstützern, hinzu. Historisch gesehen seien US-Entscheidungen zu einem großen Teil für die nukleare Weiterverbreitung verantwortlich zu machen. "Noch immer gibt Washington offiziell nicht zu, dass Israel Atomwaffen besitzt, und US-Entscheidungsträger verschließen sich bislang allen Vorschlägen zu einer atomwaffenfreien Zone Nahost."

Das Atomabkommen mit dem Iran ebnet den Weg für ein Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Teheran. "Wir haben es mit einem ausgewogenen Abkommen zu tun, das verhindern wird, dass der Iran in den Besitz der Atombombe gelangt", versicherte der französische Außenminister Laurent Fabius. Der ständige Vertreter Großbritanniens bei den Vereinten Nationen, Botschafter Matthew Rycroft, zeigte sich ähnlich optimistisch, indem er seinerseits erklärte, "dass in dem Wissen, dass der Iran keine Atombombe bauen kann, die Welt sicherer geworden ist".

Solomon erinnerte daran, dass die USA zu den führenden Staaten zählten, die ein Dutzend Staaten mit Atombrennstoffen belieferten und damit die Realität leugneten, dass Atomenergie zur Stromgewinnung einen ersten Schritt auf dem Weg zur Entwicklung von Atomwaffen darstelle. "Wir haben bisher nicht erlebt, dass Washington dieser Tatsache Rechnung trägt geschweige denn Schritte unternimmt, der Welt diese gefährlichen -Extravaganzen einer Atommacht zu ersparen.


"Schamloser Versuch von Kriegstreibern"

Das Atomabkommen mit dem Iran sei eine der wenigen diplomatischen Errungenschaften, auf deren Zustandekommen die Obama-Regierung zu Recht Anspruch erheben könne. Doch viele der chauvinistischsten Kräfte in Washington versuchten ihr Bestes, um diese Leistung zu unterwandern. "Im UN-Kontext und in den politischen US-Arenen sollte diese Dynamik als das gesehen werden, was sie ist: der schamlose Versuch von Kriegstreibern im US-Kongress, ihre Hoffnungen auf einen Krieg mit dem Iran aus den Klauen einer friedlichen Lösung zu retten."

Nach der Billigung des Atomdeals durch den UN-Sicherheitsrat hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon betont, dass die Resolution 2231 vom 20. Juli die Umsetzung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans (JCPOA) für das iranische Atomabkommen möglich mache.

"Die Resolution erlaubt die Aufhebung aller nuklearbezogenen Sanktionen gegen den Iran. Sie garantiert, dass die Internationale Atomenergiebehörde weiterhin überprüfen kann, ob sich der Iran an seine im Rahmen des JCPOA eingegangenen nuklearen Zusagen hält." Die Vereinten Nationen seien bereit, die erforderliche Unterstützung zu geben, damit die Resolution wirken könne.

Zunes zufolge haben die Nuklearabkommen zwischen den USA und den Sowjets gezeigt, dass geopolitische Gegner, die das jeweilige politische System des anderen strikt ablehnen, durchaus in der Lage sind, im Interesse einer Rüstungskontrolle die Chance auf eine Win-Win-Situation zu erkennen und zu ergreifen.


Zweierlei Maß

Die meisten Atomwaffenabkommen zeichneten sich durch Reziprozität aus, so Zunes, der zahlreiche Bücher über den UN-Sicherheitsrat publiziert hat. Doch im Fall des Irans sei kein benachbarter Atomstaat - Israel, Pakistan oder Indien - aufgefordert worden, seine Kernwaffen zu zerstören, zu verringern oder Kontrolleuren Einlass zu gewähren. Dabei seien sie es, die mit ihren Nuklearprogrammen gegen verschiedene Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verstießen.

Auch die anderen Atommächte einschließlich der sechs Staaten, die die Verhandlungen mit dem Iran geführt hätten, seien nicht aufgerufen worden, ihre Atomwaffenarsenale zu reduzieren. "Es ist völlig absurd zu behaupten, dass sich der Iran durch dieses Abkommen einen unfairen Vorteil verschafft." (Ende/IPS/kb/22.07.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/07/security-council-defies-u-s-lawmakers-by-voting-on-iran-nuke-deal/

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IPS-Tagesdienst vom 22. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2015

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