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USA/338: US-Militärhilfe an Länder mit Kindersoldaten - Weißes Haus ignoriert Gesetz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Oktober 2011

Politik: US-Militärhilfe an Länder mit Kindersoldaten - Weißes Haus ignoriert Gesetz

von Jim Lobe


Washington, 7. Oktober (IPS) - Länder, die Kindersoldaten einsetzen, erhalten von der US-Regierung weiterhin Militärhilfe. Präsident Barack Obama hat im zweiten Jahr in Folge beschlossen, einen Parlamentsbeschluss zur Aussetzung der Zahlungen an die Demokratische Republik Kongo (DRC), den Tschad, Jemen und Südsudan zu ignorieren.

Wie aus einer Mitteilung des Weißen Hauses hervorging, erhalten die vier Staaten 2012 insgesamt mehr als 200 Millionen US-Dollar. Die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) kritisierte die Entscheidung als "einen Mangel an Führungsstärke und die Missachtung von US-amerikanischem Recht".

"Länder, die Kindersoldaten rekrutieren, werden nicht ernsthaft über eine Beendigung dieser Praxis nachdenken, bis die USA ihr Geld zurückhalten", sagte Jo Becker, die die HRW-Abteilung für Kinderrechte leitet. Die Obama-Regierung sei noch nicht einmal zu einer geringfügigen Kürzung der Militärhilfe bereit, beanstandete sie. "Kinder zahlen den Preis für Führungsschwäche."

Gemäß dem im letzten Jahr in Kraft getretenen 'Child Soldiers Prevention Act' darf die US-Regierung Staaten, die Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren für ihre Armeen rekrutieren, keine Militärhilfe zahlen und sie außerdem nicht bei der Ausbildung der Soldaten unterstützen. Obama kann sich über dieses Gesetz hinwegsetzen, wenn dies nach seiner Einschätzung "nationalen Interessen" dient.


Gesetz gegen Burma und Somalia angewendet

Im vergangenen Jahr war festgestellt worden, dass Burma, die Demokratische Republik Kongo, der Tschad, Jemen, Somalia und Südsudan Kindersoldaten einsetzen. Das Gesetz wurde allerdings nur auf Burma und Somalia angewendet, mit denen die USA ohnehin nicht auf militärischer Ebene kooperieren.

Mit Blick auf die übrigen Länder teilte das Weiße Haus mit, dass gegen sie Sanktionen eingeleitet würden, sollten sie die umstrittene Praxis in Zukunft nicht aufgeben oder einschränken. Samantha Power, Leiterin des Nationalen Sicherheitsrats, versicherte kürzlich Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), dass das Gesetz noch in diesem Jahr vollständig umgesetzt werde.

Allerdings erhält der Jemen jährlich nach wie vor mehr als 100 Millionen Dollar Militärhilfe aus Washington. Bemühungen seitens der jemenitischen Regierung, das Problem mit den Kindersoldaten zu lösen, sind bisher nicht zu erkennen. Das Weiße Haus rechtfertigt die Zahlungen mit dem Anti-Terrorkampf. Die Zusammenarbeit mit dem Jemen ist ein wichtiger Teil der US-Strategie zur Zerschlagung der Al Kaida und ihren Verbündeten, hieß es. Wenn der Handlungsspielraum der Regierung bei der Gewährung von Unterstützung eingeschränkt würde, wären die Möglichkeiten der jemenitischen Regierung zur Durchführung von Sondereinsätzen gefährdet.

HRW-Mitarbeiter haben erst im August beobachtet, dass Kindersoldaten im Jemen auch in einer paramilitärischen Eliteeinheit und in Polizeitruppen in der Hauptstadt Sanaa eingesetzt werden. Offiziere der Ersten gepanzerten Division, die Anfang des Jahres zur Opposition überlief, berichteten zudem, dass die Truppe zuvor sogar Kinder im Alter unter 15 Jahren rekrutiert hatte.

Bezüglich des Südsudans, der nächstes Jahr ebenfalls 100 Millionen Dollar Militärhilfe erhalten soll, sagte die US-Regierung bei einem Treffen mit NGOs, dass das Gesetz in diesem Jahr noch keine Anwendung finden sollte. Zur Begründung hieß es, dass der Südsudan zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Berichts des US-Außenministeriums über den internationalen Einsatz von Kindersoldaten im Juni noch unabhängig gewesen sei.


US-Regierung bescheinigt einigen Ländern Fortschritte

Aus dem Weißen Haus ist zu hören, dass sowohl der Tschad als auch die Demokratische Republik Kongo bei der Lösung des Problems Fortschritte machen. So hat die Regierung des Tschads einen 'Aktionsplan' aufgelegt, der die Rekrutierung von Kindern stoppen und bereits aktive Soldaten demobilisieren soll. Schritte zur Umsetzung des Plans seien bereits eingeleitet worden, erklärte Washington.

Eine UN-geführte Beobachtungsmission habe 2011 keine weiteren Hinweise auf die Einberufung minderjähriger Soldaten gefunden, hieß es. Mehr als 1.000 Kinder seien dem Weltkinderhilfswerk UNICEF und NGOs übergeben worden, die sich nun um ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft kümmerten.

Auch der DRC wurde bescheinigt, im vergangenen Jahr Maßnahmen gegen die Rekrutierung von Kindersoldaten ergriffen zu haben. Armeekommandeure hätten "Anstrengungen unternommen, um Kinder aus den Reihen des Militärs zu entfernen und sie der UN-Friedensmission, UNICEF und humanitären Organisationen zu übergeben".

Zugleich räumte das Weiße Haus ein, dass die Demobilisierung von Rebellengruppen und Milizen, die ebenfalls Kinder als Kämpfer eingesetzt hätten, die Bemühungen weiter erschwere. Der notwendige "institutionelle Wandel" sei noch nicht erfolgt, hieß es.

Das afrikanische Land wird von den USA weiterhin bei der Ausbildung von Soldaten unterstützt und erhält Armeeausrüstung, die sich nicht für Tötungszwecke eignet. Rund 1,3 Millionen Dollar Militärhilfe sollen aber so lange zurückgehalten werden, bis die Regierung beim Abzug der Kindersoldaten umfassend mit den Vereinten Nationen kooperiert. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2011