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LATEINAMERIKA/2056: Kolumbien - Gustavo Petro tritt das Amt des Präsidenten an (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Kolumbien
Gustavo Petro tritt das Amt des Präsidenten an

Zu der feierlichen Zeremonie werden Tausende Menschen erwartet. Politisch wurde bereits in den ersten 100 Tage nach der Wahl einiges erreicht.


Gustavo Petro, Porträt - Foto: Otra Voz TV, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0], via Wikimedia Commons

Gustavo Petro im Jahr 2017
Foto: Otra Voz TV, CC BY 3.0
[https://creativecommons.org/licenses/by/3.0], via Wikimedia Commons

(Bogotá, 6. August 2022, la diaria).- Am Sonntag den 7. August wird Kolumbien seine erste Linksregierung bekommen. Der Pacto Histórico eine Koalition verschiedener Parteien und sozialer Bewegungen, wird von Präsident Gustavo Petro und Vizepräsidentin Francia Márquez geführt. Offizielle Delegationen mehrerer Länder werden an der Zeremonie teilnehmen, dazu etliche Kolumbianer*innen. Die Organisation des offiziellen Akts rechnet mit über 100.000 Menschen, die sich auf dem Bolivar-Platz im Zentrum der Hauptstadt versammeln werden. Mehr als ein Dutzend Präsidenten aus Ländern der Region werden erwartet, darunter Gabriel Boric aus Chile, Alberto Fernández aus Argentinien, Luis Arce aus Bolivien, Mario Abdo aus Paraguay und Guillermo Lasso aus Ecuador.


"Amtseinführung des Volkes"

Wie die kolumbianische Tageszeitung El Espectador berichtet, verteilt sich das kulturelle Rahmenprogramm auf sieben Bühnen. Sprecher*innen des Pacto Histórico erklärte, es gehe darum, "die Konzepte Multikulturalität, Pluriethnizität und die Vielfalt Kolumbiens" anschaulich zu machen. Marisol Rojas vom Koordinationsteam der Veranstaltung betonte: "Die Amtseinführung von Gustavo Petro ist vor allem deshalb eine neuer Schritt in der Geschichte Kolumbiens, da nicht ein neuer Präsident an die Spitze des Staats gestellt wird, sondern das Volk selbst." Eines der wichtigen Symbole bei der Zeremonie ist das Schwert Simón Bolívars. Gegenüber der Nachrichtenagentur Efe erläuterte Petro, was es mit diesem Schwert auf sich hat: Man werde bei der Amtseinführung "das Schwert gezückt sehen, aber es soll nicht als Symbol des Krieges verstanden werden. Wie schon sein ursprünglicher Besitzer sagte: Dieses Schwert wird dann aus der Hand gelegt, wenn in Kolumbien Gerechtigkeit herrscht."


Erste Maßnahmen

Zu den Prioritäten der neuen Regierung gehören die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit der Guerilla der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) und die Wiederherstellung der Beziehungen zum Nachbarland Venezuela, die unterbrochen wurden, nachdem die derzeitige kolumbianische Regierung den Oppositionsführer Juan Guaidó als venezolanischen Präsidenten anerkannt hat. Als ersten Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zu Caracas schickte Petro seinen Außenminister Álvaro Leyva im Juli zu einem Treffen mit seinem venezolanischen Amtskollegen Carlos Faría. Nach dem Treffen kündigten beide an, neue Botschafter zu ernennen, sobald die neue Regierung im Amt ist. Auch Francia Márquez reiste nach Brasilien, Chile, Argentinien und Bolivien, um internationale Kontakte zu pflegen. In Brasilien traf sie Ex-Präsident und Spitzenkandidat Luiz Inácio Lula da Silva, in den anderen drei Ländern wurde sie von den Präsidenten empfangen. In Chile sprach Márquez über Borics Zusage, die Friedensgespräche zu unterstützen. "Präsident Boric ist bereit, uns bei unseren Friedensbemühungen zu unterstützen, und er hat sogar angeboten, dass die Friedensgespräche zwischen dem kolumbianischen Staat und der ELN in seiner Heimat Chile stattfinden können. Das freut uns sehr!", so Márquez.


Wiederaufnahme der Friedensgespräche

Für Petro wäre die Wiederaufnahme der Gespräche mit der ELN ein erstes Ziel, das automatisch die Gewalt in seinem Land und in der Region minimieren würde. Außerdem wäre es politisch das Gegenteil von dem, worauf die Regierung Iván Duque sich versteift hatte. Diese hatte die Gespräche nach einem der ELN zugeschriebenen Anschlag auf die Polizeischule General Santander im Jahr 2019 abgebrochen. ELN-Funktionär Eliécer Herlinto Chamorro, auch bekannt als Antonio García, erklärte sich bereit, die Gespräche dort wieder aufzunehmen, wo sie seinerzeit abgebrochen worden waren. "Wir haben vier Jahre verloren. Das geht auf das Konto von [Noch-] Präsident Iván Duque der Geschichte", erklärte er gegenüber Europa Press. Auch Spanien habe sich bereit erklärt, den Friedensprozess zu unterstützen, doch er selbst tendiere mehr zu Kuba, wo auch der Frieden mit der FARC-Guerilla ausgehandelt wurde. "Die kubanische Regierung muss entscheiden, ob sie uns noch einmal dort haben will. Bei den Gesprächen zum Frieden mit der FARC hatte Kuba sich deswegen diplomatische Schwierigkeiten eingehandelt", ergänzte Petro. Am 4. August bekundeten auch die Guerilla-Einheiten der FARC-Dissidenten, die sich dem Friedensprozess 2016 nicht angeschlossen oder wieder zu den Waffen gegriffen hatten, ihre Bereitschaft zu Friedensgesprächen mit der neuen Regierung und ließen ausrichten, auch sie seien bereit, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Mitglieder des Hauptkommandos der Guerilla bezeichneten Petro und Márquez in einer Erklärung als "echte Vertreter der Volksinteressen".


Was bisher erreicht wurde

Der neuen Regierung ist es gelungen, im Kongress eine Mehrheit auf ihre Seite zu ziehen. Zu den wichtigsten seither angestoßenen Initiativen gehören eine Steuerreform zur aktiven Bekämpfung von Steuerhinterziehung, mit der auch Großverdiener besser in Schach gehalten werden sollen, eine Agrarreform, eine Bildungsreform und eine Energiereform. In den ersten 100 Tagen nach der Wahl hat das Interimsteam des Pacto Histórico laut der kolumbianischen Zeitung El Heraldo eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, darunter die Senkung der Strom- und Gastarife für die Endverbraucher*innen, die Einrichtung eines Ministeriums für Gleichberechtigung und die Regulierung der Tätigkeiten digitaler Plattformen wie Uber. Gleich nach der Wahl hatte Petro die Einrichtung einer internationalen Kommission zur Untersuchung der Korruption, die Förderung des Escazú-Abkommens, den Stopp von Fracking-Initiativen und die Einführung eines Bergbaumoratoriums angekündigt. Damit soll die Einhaltung der ökologischen und wirtschaftlichen Verpflichtungen geprüft und ein neues, umweltfreundlicheres Bergbaumodell entwickelt werden.


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Quelle:
poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 7. August 2022

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