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ERNÄHRUNG/1518: Funktionelle Lebensmittel ... über Nahrungsmittel mit gesundheitlichem Mehrwert (Securvital)


Securvital 4/22 - Oktober-Dezember 2022
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

ERNÄHRUNG
Funktionelle Lebensmittel

von Astrid Froese


Nicht alle Nahrungsmittel, die von der Industrie als gesundheitsfördernd angepriesen werden, sind es auch. Verbraucher sollten bei Trends genau hinsehen.


Was Lebensmittel heutzutage nicht alles können sollen! Nicht nur schmecken und satt machen, sondern darüber hinaus auch noch die Gesundheit fördern und Krankheiten vorbeugen. Schwarzer Tee, der die Konzentration fördert. Aloe-Vera-Joghurts, die das Immunsystem stärken. Oder Wellnessgetränke mit Kräuterzusätzen, die vitalisierend wirken. Der Lebensmittelmarkt ist stark umkämpft. Um ihre Produkte Verbrauchern schmackhaft zu machen, preist die Industrie daher immer häufiger den gesundheitlichen Zusatznutzen bestimmter Produkte. Doch was ist dran an diesen Versprechen?

Smoothies und Saftshots werden mit Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren angereichert, um die Immunabwehr sowie die Herz-und Gehirnfunktion zu stärken.

Der Begriff "funktionelle Lebensmittel" bezeichnet Nahrungsmittel, die über ihre Ernährungsfunktion hinaus einen gezielten gesundheitlichen Mehrwert haben sollen. Dabei geht es nicht um Nahrungsergänzungsmittel, die als Kapseln oder Pulver erhältlich sind. Sondern es geht um gängige Lebensmittel mit einem nachweisbaren gesundheitlichen Plus über den reinen Nährwert hinaus. Zu den bekanntesten funktionellen Lebensmitteln zählt die mit pflanzlichen Sterinen angereicherte Margarine. Für die Sterine belegen Studien, dass ihr regelmäßiger Verzehr die Cholesterinwerte senken und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern kann.


Ursprung Asien

Entwickelt wurde der Ansatz in Japan. Seit Mitte der 80er Jahre fördert die japanische Regierung besonders gesunde Produkte, um die Ausgaben im Gesundheitswesen zu senken. Japan ist bislang auch das einzige Land, in dem der Vertrieb funktioneller Lebensmittel gesetzlich geregelt ist. Für die Zulassung sind medizinische und ernährungswissenschaftliche Daten über die gesundheitsfördernden Eigenschaften sowie eine Einschätzung der täglich notwendigen Zufuhrmengen vorzulegen.

In Deutschland und der Europäischen Union sind funktionelle Lebensmittel gesetzlich nicht näher erfasst. Das bedeutet, dass sie den allgemeinen Bestimmungen für Lebensmittel unterliegen. Gesundheitliche Wirkungen dürfen Hersteller nur dann angeben, wenn diese belegt sind. Dies ist jedoch derart komplex, dass so manche Produktbeschreibung vor Gericht endet.

Das Versprechen, dass Wellnessbrote mit einem hohen Anteil von Beta-Glucane den Cholesterinspiegel positiv beeinflussen und die Darmtätigkeit anregen, sehen Verbraucherschützer kritisch.

Eindeutig krankheitsbezogene Werbung ist untersagt, da solche Aussagen Arzneimitteln vorbehalten sind. Konkret bedeutet das: Eine Angabe wie "stärkt die Abwehrkräfte" ist zulässig, sofern sie wissenschaftlich belegt ist. Hingegen sind Hinweise wie "hilft gegen Infektionen", "schützt vor Krebs" oder "lindert Konzentrationsschwäche" für Lebensmittel nicht erlaubt.

Dass der Nachweis gesundheitsfördernder Wirkungen von Lebensmitteln so schwer zu erbringen ist, hat mehrere Gründe. Zum einen beruhen gerade langfristige Gesundheitsrisiken, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auf einer Mehrzahl von Faktoren, die laut Medizinern durch das Hinzufügen oder Weglassen eines einzelnen Nahrungsmittels nur bedingt beeinflusst werden können. Zum anderen vermuten Ernährungsforscher, dass beispielsweise Obst und Gemüse aufgrund ihrer ausgewogenen Mischung an Inhaltsstoffen gesund sind - nicht wegen einzelner Substanzen. Ein Lebensmittel mit hoher Konzentration eines einzelnen Stoffes müsse daher nicht zwangsläufig gesund sein.


Noch Forschungsbedarf

Verbrauchern raten Experten daher zur Vorsicht. Grundsätzlich sei der Trend zu funktionellen Lebensmitteln zu begrüßen. Er fördere das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung und sorge dafür, dass die Industrie die Forschung auf diesem Gebiet weiter vorantreibe. Sicher sei jedoch auch, dass die Produkte nur eine Ergänzung zu einer insgesamt gesunden Ernährungsweise darstellen können - die Basis dafür sind und bleiben Gemüse, Obst und Vollkornprodukte.

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Seelenfutter und Feelgood

Den lukrativen Weltmarkt für Nahrungsergänzungsmittel erobert Nestlé Stück für Stück. Seit vielen Jahren feilt der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern auch an Konzepten zur personalisierten Ernährung.

Eine der Ideen: Kunden aufgrund von Blut- und DNA-Tests individuelle Ernährungspläne erstellen und ihnen maßgeschneiderte Getränke und Mahlzeiten verkaufen. Die Konzerntochter Nestlé Health Science ist Zentrum dieser Aktivitäten: Dort wird zum einen medizinische Spezialnahrung für Krankenhaus, Altenheim und Reha entwickelt; in anderen Laboren der Konzerntochter arbeiten Nestlé-Beschäftigte an Ernährungskonzepten für den Konsumentenbereich.

Im Gründungsjahr 2011 zählte Nestlé Health Science 3.000 Mitarbeiter, mittlerweile erwirtschaften 11.000 Angestellte einen Umsatz von rund 4,8 Mrd. Euro. "Der Umsatz von Nestlé Health Science wuchs zweistellig, was die hohe Nachfrage nach Vitaminen, Mineralstoffen und Nahrungsergänzungsmitteln sowie nach Produkten für gesundes Altern widerspiegelt", so Nestlé im Februar.

Zum Wachstum tragen auch neue Firmenübernahmen bei: Für 5,75 Mrd. Dollar kaufte Nestlé 2021 The Bountiful Company, einen führenden US-Hersteller von Vitaminprodukten; und gerade abgeschlossen wurde die Akquisition von Vital Proteins.

In Deutschland vertreibt diese US-Firma ihre Collagen-Produkte als Nahrungsergänzung mit dem Slogan: "Wir wollen deine Ernährung mit Kollagen auf ein neues Level boosten und fahren damit auch noch leckeres Seelenfutter für dich und deine Feelgood-Rituale auf."

Nestlé verkauft mit 276.000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 87 Mrd. Euro Marken wie Nespresso, Kitkat, Mövenpick, Maggi, Wagner, Herta, LC1 sowie Babynahrung, Tierfutter, Wassermarken und vieles mehr.

Dass die Bakterienkulturen in probiotischem Joghurt die Abwehrkräfte des Körpers stärken, konnten Hersteller nicht hinreichend belegen - und werben mittlerweile mit den enthaltenen Vitaminen.

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Quelle:
Securvital 4/22 - Oktober-Dezember 2022, Seite 14-15
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 24. Dezember 2022

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