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NOTFALL/360: Notfallmedizinische Versorgung in Schleswig-Holstein - Telemedizin unterstützt Rettungskräfte (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 3, März 2022

Telemedizin unterstützt Rettungskräfte

von Dirk Schnack


TELEMEDIZIN. Die notfallmedizinische Versorgung der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) wird um einen wichtigen Faktor ergänzt: Den Rettungskräften sollen künftig Ärztinnen und Ärzte als Unterstützung zur Seite gestellt werden, die im Bedarfsfall telemedizinisch zugeschaltet werden können. Fünf Landkreise werden profitieren.


An der telemedizinischen Einsatzunterstützung arbeitet die RKiSH bereits seit mehreren Jahren. Im Herbst 2021 hatte das Landesgesundheitsministerium die Umsetzung genehmigt. Nun wird zunächst die erforderliche Infrastruktur aufgebaut, anschließend sollen die Einsatzkräfte im Umgang mit der Technik geschult werden. Der erste Einsatz mit telemedizinischer Unterstützung steht noch nicht fest. Vorbilder für das Telemedizin-Projekt gibt es im Bundesgebiet bereits u. a. durch Projekte in Aachen und in Greifswald.

Ziel ist es, langfristig die komplette Fahrzeugflotte des Rettungsdienstes so auszurüsten, dass vom Wagen aus telemedizinische Unterstützung angefordert werden kann. Die Zentrale dafür wird in Pinneberg ausgebaut, von wo aus rund um die Uhr Ärztinnen und Ärzte per Telefon-, Video- oder Datenanruf telemedizinisch beratend im Einsatz sein werden. Dafür werden Vitaldaten wie Blutdruck, Herzfrequenz oder EKG-Bild der behandelten Personen digital an die in der Zentrale arbeitenden Ärztinnen und Ärzte übermittelt. Ziel ist es, wichtige medizinische Entscheidungen für eine gezieltere Behandlung der Patienten in kürzerer Zeit als bislang treffen zu können.

Die RKiSH ist nach eigenen Angaben der erste Rettungsdienst in Schleswig-Holstein, der ein solches System implementieren wird. "Der Rettungsdienst hat sich von einem Transportdienst längst zu einer leistungsfähigen Notfallversorgung entwickelt," sagte RKiSH-Geschäftsführer Michael Reis. Die medizinischen Anforderungen an den Rettungsdienst seien gestiegen, gleichzeitig verzeichne die Zahl der Einsätze im RKiSH-Einsatzgebiet einen anhaltenden Anstieg: "Seit längerem arbeiten wir an Strategien, um im Rahmen einer differenzierten Notfallversorgung unsere Ressourcen auch in der Zukunft weiterhin optimal einsetzen zu können. Die Telemedizin ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung", sagte Reis weiter.

Die Telemedizin soll auch helfen, die Zeit bis zum Eintreffen einer Notärztin oder eines Notarztes zu überbrücken. Diese müssen zum Teil weite Strecken bis zum Einsatzort zurücklegen, während die Teleärzte direkt verfügbar sein werden. Notfallsanitäter können mithilfe der telemedizinischen Unterstützung zum Beispiel entscheiden, ob Betroffene ins Krankenhaus gebracht werden oder anderweitig versorgt werden müssen. So könnte das Modell nach Ansicht der RKiSH auch zu einer Reduzierung unnötiger Kliniktransporte beitragen.

"Dies entlastet nicht nur das Rettungsdienstpersonal, sondern auch die Notaufnahmen und Notfallambulanzen in den Krankenhäusern. Vor allem aber hilft es den Patientinnen und Patienten, denen vielleicht mit einer Versorgung im heimischen Umfeld durch Hausärzte, Pflegedienste oder anderen Hilfen besser gedient ist, als aus dem Krankenhaus gleich wieder nach Hause entlassen zu werden", sagte der Ärztliche Leiter Rettungsdienst der RKiSH, Dr. André Gnirke.

Nach seinen Angaben ermöglichen Standardarbeitsanweisungen Notfallsanitätern zwar schon jetzt in vielen Notfällen, eigenständige Maßnahmen zu ergreifen und Entscheidungen zu treffen. Die Möglichkeit, in Zweifelsfällen oder bei Bedarf ärztliche Expertise hinzuzuschalten, bestand bislang aber nicht.

Auch bei Transporten zwischen verschiedenen Standorten, etwa bei der Verlegung von einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung in eine spezialisierte Klinik, können Telemediziner künftig von der Zentrale aus die live übermittelten Patientendaten überwachen, damit den Transport unterstützen und die Sicherheit erhöhen.

Schleswig-Holsteins Landesgesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg (FDP) begrüßte das Konzept, weil es die Konsultation zwischen Rettungsdienstmitarbeitenden und Ärztinnen und Ärzten erleichtert und zugleich Ressourcen schont. "Menschen müssen darauf vertrauen können, in Notfallsituationen bestmöglich medizinisch versorgt zu werden. Wir in Schleswig-Holstein verfügen in der Notfallversorgung bereits über sehr gute Strukturen. Die Telemedizin ermöglicht es, diese Strukturen noch weiter zum Wohle der Patientinnen und Patienten sowie zum Vorteil der Rettungskräfte und Ärztinnen und Ärzte zu optimieren", sagte Garg.

Wie umfangreich das Projekt ist, zeigen aktuelle Zahlen der Rettungsdienstkooperation. In ihren Einsatzgebieten der fünf Landkreise Dithmarschen, Steinburg, Rendsburg-Eckernförde, Segeberg und Pinneberg fuhren die Einsatzkräfte im vergangenen Jahr insgesamt mehr als 226.000 Einsätze. Die Flotte der rund um die Uhr eingesetzten Fahrzeuge umfasst mehr als 100 Rettungswagen, die langfristig alle telemedizinisch ausgerüstet werden sollen.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 3, März 2022
75. Jahrgang, Seite 28
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 9. April 2022

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