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ITALIEN/444: Proteste gegen Melonis Auftritt auf dem XIX. Kongress der CGIL-Gewerkschaft (Gerhard Feldbauer)


XIX. Kongress der CGIL-Gewerkschaft beriet Schaffung einer Zukunft der Gleichheit und Gerechtigkeit

Scharfe Proteste gegen Auftritt der faschistischen Ministerpräsidentin Meloni

von Gerhard Feldbauer, 20. März 2023


In der Hafenstadt Rimini ist am Sonnabend der XIX. Kongress der mit rund 5,7 Millionen Mitgliedern stärksten Italienischen Gewerkschaft Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL) mit der Wiederwahl Maurizio Landinis zum Generalsekretär zu Ende gegangen. Vier Tage berieten 886 zur Hälfte männliche und weibliche Delegierte unter dem Motto "Arbeit schafft Zukunft", wie der Kampf gegen soziale Unterdrückung und Ausbeutung für Gleichheit und Gerechtigkeit der arbeitenden Menschen zu verstärken ist. Auf scharfe Proteste stieß, dass der Generalsekretär die faschistische Ministerpräsidentin Meloni eingeladen hatte, die ihre arbeiterfeindliche neoliberale Politik propagieren konnte. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA biederte sich Landini dann noch mit der Erklärung an: "Wir respektieren das Ergebnis der Abstimmung (bei der Parlamentswahl am 25. September 2022), mit der die Regierung des Landes der Rechten anvertraut wurde."

Wie das linke Manifesto berichtete, wurde Meloni vor dem Eingang zum Palacongressi in Rimini von Protestierenden mit Buhrufen erwartet, die Transparente zeigten "Meloni: nicht in unserem Namen", "Cutro ein staatliches Massaker" und die anprangerten, dass ihre Partei Brüder Italiens die Flamme Mussolinis in ihrem Parteilogo führt. Als sie im Saal eintraf, verließen die Delegierten der Metallarbeiter in der CGIL FIOM und weitere Gewerkschaftsmitglieder Bella Ciao singend mit erhobener Faust den Saal. Die Verbliebenen verharrten während ihrer Rede, in der sie "das gesamte Repertoire des konservativen Liberalismus in einer Visegrád-Sauce" vortrug, "in eisiger Kälte". Bei der Ablehnung des Mindestlohns stand sie "vor einer Mauer".

Wie das Mitteilungsblatt Collettiva der CGIL informierte, konzentrierte sich die Debatte auf fünf Prioritäten: Höhere Löhne und die Reform des Steuersystems, das Ende der Prekarität und eine Herabsetzung der Arbeitszeit, Unterbindung der Schwarzarbeit und Garantie der Sicherheit am Arbeitsplatz. Desweiteren engagierten sich die Kongressbeteiligten für einen Wohlfahrtsstaat auf der Grundlage von Ausbildung, Gesundheitsversorgung und einer Rentenreform, die soziale und berufliche Integration von Migranten, den Kampf gegen Armut sowie die Durchsetzung einer Entwicklungs- und Industriepolitik, um, ausgehend vom Süden, die Digitalisierung und das neue Umweltparadigma zu einer echten Chance für Italien zu machen.

Die auf dem Kongress vertretene Opposition kam sich näher. Die als "linke Hoffnung" gefeierte neue Sekretärin des sozialdemokratischen PD, Elly Schlein, wurde zum regelrechten Star der Gewerkschaftsversammlung, als sie versicherte: "Wir werden für einen Mindestlohn kämpfen, weil es mehr als drei Millionen Arbeitnehmer gibt, die arm sind, selbst wenn sie arbeiten." Ihr Appell an die Opposition, den Kampf dafür gemeinsam zu führen, schien auf Zustimmung zu stoßen, denn die Leiter von M5S, Giuseppe Conte, Dritter Pol, Carlo Calenda, und Sinistra Italia, Nicola Fratoianni, trafen später mit ihr und Landini zusammen.

Mit ihrer Teilnahme an einer Kundgebung in Mailand von rund 10.000 Angehörigen von Regenbogenfamilien, die gegen die Ablehnung der Registrierung der Kinder gleichgeschlechtlicher Elternpaare durch die Regierung protestierten, schritt Schlein anschließend zur Tat und kündigte an, ein Gesetz einzubringen, das das Recht homoparentaler Paare gesetzlich anerkennt und ihren Kindern mehr Rechte gewährt. An der Ausarbeitung des vom PD unterzeichneten Gesetzes haben die Rainbow Families und das Lenford Network mitgewirkt.

Landini appellierte an die auf dem Kongress anwesenden Führer der Unione Italiana del Lavoro (UIL) und der Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL), Pierpaolo Bombardieri und Luigi Sbarra, die beiden nach der CGIL größten Gewerkschaften (nach eigenen Angaben je etwa zwei Millionen Mitglieder), "in den nächsten Tagen eine außergewöhnliche Kampagne von Versammlungen am Arbeitsplatz und auf dem Territorium zu organisieren", um die genannten Forderungen nach einer anderen Steuer-, Sozial-, Industrie- und Umweltpolitik zu unterstützen und "Prekarität zu überwinden". In seinem Schlusswort erklärte Landini die Streikbereitschaft zur Durchsetzung der Forderungen und verlangte das Verbot faschistischer Organisationen.

Das linke Magazin Contropiano resümierte auf seinem Online-Portal, der Kongress habe gezeigt, dass die 1944 im Kampf gegen die faschistische Besatzungsmacht der Hitlerwehrmacht als revolutionäre Massenorganisation vor allem der Kommunisten (55,8 % Mitglieder oder Anhänger), gefolgt von den Sozialisten (22,6 %) und Christdemokraten (13,4 %), gebildetete CGIL nicht mehr existiert. Auf Betreiben der CIA-Agenten in der US-amerikanischen AFL-CIO waren 1949/50, wie der Mailänder Corriere della Sera am 8. März 1975 enthüllte, die UIL und die CISL gebildet und damit die Gewerkschaftseinheit zerschlagen worden. Die Operation hatte deren Chef Irving Brown, der später als Agent der CIA enttarnt wurde, persönlich geleitet. Die UIL entwickelte sich zu einer katholisch beeinflussten Organisation, während die CISL von den Sozialdemokraten und später vor allem den Sozialisten dominiert wurde. Neben der CISL und der UIL hat sich seit den 90er Jahren auch die CGIL zunehmend der Sozialpaktstrategie mit dem Kapital untergeordnet.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. März 2023

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