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ITALIEN/431: Unter Giorgia Meloni wird Italien von "reuelosen Faschisten" regiert (Gerhard Feldbauer)


Unter Giorgia Meloni wird Italien von "reuelosen Faschisten" regiert

Daran ändern auch Kehrtwenden und Lavierereien nichts

von Gerhard Feldbauer, 21. Dezember 2022


Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 25. September 2022 kam die von den Fratelli d'Italia (FdI) von Giorgia Meloni mit der Lega Matteo Salvinis und der Forza Italia (FI) von Ex-Premier Silvio Berlusconi gebildete faschistische Allianz auf etwa 43 %. Am 22. Oktober, wenige Tage vor dem 28. Oktober, dem 100. Jahrestag von Benito Mussolinis "Marsch auf Rom", bildete sie eine Regierung aus dessen übelsten Bewunderern. Mit Ignazio La Russa, 2012 Mitbegründer ihrer Brüderpartei, brachte sie einen der härtesten faschistischen Hardliner ins Amt des Senatspräsidenten, des zweiten Mannes an der Staatsspitze. Sein zweiter Vorname ist "Benito" und im Wahlkampf erklärte er alle Italiener zu "Erben des Duce" und rief sie auf, während der Coronapandemie, statt die Hand zu geben den "römischen Gruß" der Faschisten zu zeigen. Lega-Chef Matteo Salvini, den Meloni ebenfalls in ihre Regierung aufnahm und auch noch zu einem ihrer Stellvertreter ernannte, bekannte sich in seiner Zeit als Innenminister 2018/19, um etwa eine halbe Million Asylsuchende zu vertreiben, ausdrücklich zu Mussolinis "Rassen"-Dekret von 1938, wollte den "Begriff der Rasse" wieder einführen und einen "Sonderbeauftragten für Roma und Sinti" ernennen.

Kritische Stimmen, so die Wiener Presse, die erklärte, dass mit "Melonis Fratelli d'Italia eine rechtsradikale Partei an die Spitze eines wichtigen EU-Landes" tritt und das Modell "einen Dominoeffekt auslösen" könnte, versuchte sie mit einer Verurteilung der "Nazifaschisten" und einer Distanzierung von den historischen Wurzeln ihrer Partei zu unterlaufen. Die Beteuerungen, "nie mit dem Faschismus sympathisiert" zu haben, können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Führerin der FdI eine Regierung "reueloser Faschisten" gebildet hat, schätzte die Chefredakteurin des linken Manifesto, Norma Rangieri, ein.

In der Opposition hatte Meloni Premier Draghi vorgeworfen, eine antieuropäische Wirtschaftspolitik zu betreiben, an Italiens Wachstumsschwäche schuld zu sein und seine Regierung als "Sklavin Europas" und "Feind der Italiener" gebrandmarkt. Nachdem Draghi erklärt hatte, er werde einer kommenden Regierung, von "welcher Couleur" sie auch immer sein werde, "zur Verfügung stehen", vollzog sie eine Kehrtwende um 180 Grad und erklärte nun, sie werde einen Austritt Italiens aus der EU nicht anstreben, die Beziehungen "nicht sabotieren", sondern "effektiver" gestalten. Auch dem Corona-Wiederaufbauprogramm, aus dem Italien 191 Milliarden Euro bekommen soll und das sie bis dahin abgelehnt hatte, stimmte sie nun zu.

Zum Krieg in der Ukraine sicherte sie vorbehaltlose Unterstützung und darüber hinaus die Stärkung der "atlantischen" Verbindungen zu den USA zu. Vertreter der NATO und der EU überschlugen sich danach mit ihren Glückwünschen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg schrieb ihr: "Ich freue mich, mit Ihnen zusammenzuarbeiten." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte, zusammenzuarbeiten "von der Ukraine bis zur Energieversorgung". SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz freute sich ebenfalls, mit ihr in "EU, NATO und G7" zusammenzuarbeiten. Die Europäische Union, die die Interessen der großen Bosse des Kapitals verkörpert, habe "keine Bedenken", die "Nazis und Faschisten einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen", kommentierte das linke Magazin Contropiano in seinem Online-Portal.

Im Inneren kehrte Meloni zum von Lega-Chef Salvini 2018/19 als Innenminister betriebenen Kurs der Flüchtlingsabwehr zurück und wollte ihn mit dem Abfangen der Boote vor der libyschen Küste noch forcieren. Proteste dagegen werden, so mit der Klage gegen den Schriftsteller Roberto Saviano, der sie u. a. für den Tod eines Babys an Bord eines NGO-Schiffes, dem sie die Einfahrt verweigert hatte, verantwortlich machte, rigoros verfolgt. Ebenso die gegen ihren Kriegskurs und die Abwälzung der daraus resultierenden Krisenlasten auf die arbeitenden Menschen, u. a. durch ein Demonstrationsverbot vor dem Montecitorio (Sitz der Abgeordnetenkammer). Denn in ihrem Haushaltsentwurf für 2023 war von ihren Wahlversprechen kam noch etwas übrig. Meloni folgte der Order von Confindustria-Präsident Carlo Bonomi, dass für die Einlösung von Wahlversprechen "nicht der richtige Zeitpunkt" sei, sondern "das wichtigste Kapitel" die "Sicherung der italienischen Industrie" ist. Noch nicht einmal das versprochene "Reddito di cittadinanza", das Bürgereinkommen, wurde eingeführt, stattdessen wurden die Kontrollen und Sanktionen für Bezieher, die eine angebotene Arbeitsstelle ablehnen, verstärkt. M5S-Vorsitzender Conte nannte die Vorlage einen "sozialen und wirtschaftlichen Abgrund für Arbeiter und arme Familien", während es eine "Reise erster Klasse für Steuerhinterzieher und korrupte Leute" sein werde.

Wie wird es weitergehen mit der Regierung "reueloser Faschisten" Melonis? Das linksliberale Fatto Quotidiano meinte, dass sie auch im Inneren versuchen könnte, den unzuverlässigen Berlusconi mit seiner Forza Italia aus der Regierung auszuschalten und durch den Zentrumspolitiker, den Leiter der Azionepartei und des "Dritten Pols", Carlo Calenda, zu ersetzen. Das wäre fast eine halbe Rückkehr zu Draghis Regierung der "nationalen Einheit" und würde ihrem faschistischen Regime ein demokratisches Outfit verleihen. Das Blatt meinte auch, dass sie so fest gar nicht im Sattel sitze. Wofür sprechen könnte, dass sie bisher die angekündigte Errichtung eines Präsidialregime noch nicht in Angriff genommen hat.

Das würde einen offenen Angriff auf die Verfassung bedeuten und sie müsste mit einem Widerstand rechnen, wie er im Januar 2022 gegen die Kandidatur Berlusconis für das Amt des Staatspräsidenten geleistet wurde. Es wird spekuliert, Präsident Mattarella werde vorzeitig zurücktreten und Draghi solle seine Nachfolge antreten. Gelänge das Manöver, könnte ihr Förderer in diesem Amt weiter seine schützende Hand über sie halten und die Entwicklung steuern. Eine weitere offene Flanke für Meloni bleibt der Ukraine-Krieg, in dem kein Sieg über Rußland zu erwarten ist, worauf sich die USA bereits einstellen. Tritt das ein, wäre das eine schwere Niederlage auch für Meloni und würde den Kriegsgegnern - 60 % der Italiener lehnen den Krieg ab - Auftrieb geben.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 24. Dezember 2022

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