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ITALIEN/381: Landesweiter Streik für bessere Tarifverträge legte städtischen Verkehr lahm (Gerhard Feldbauer)


Landesweiter Streik legte städtischen Verkehr lahm
Höhere Löhne gegen auf 4,8 Prozent steigende Inflation

Russlandsanktionen schaden auch italienischer Wirtschaft

von Gerhard Feldbauer, 28. Februar 2022


In einem landesweiten 24stündigen Streik haben am 25. Februar zum zweiten Mal seit Jahresbeginn die Beschäftigten der öffentlichen Verkehrsbetriebe den Abschluss neuer Tarifverträge mit Lohnerhöhungen und besseren Arbeitsbedingungen gefordert. In Mailand, Rom, Neapel und weiteren Großstädten nahmen die Belegschaften des städtischen Verkehrs einschließlich der Fahrer und Mitarbeiter sowohl der städtischen als auch der außerstädtischen Busse geschlossen teil, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur "ANSA". Zu der Arbeitsniederlegung hatten gemeinsam die Branchengewerkschaften Filt Cgil, FIT Cisl, Uiltrasporti, Faisa Cisal und Ugl autoferrotranvieri aufgerufen. Sie forderten eine unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen. Zuletzt hatten im Verkehrssektor am 14. Januar Eisenbahner, Piloten, Lkw- und Busfahrer landesweit für diese Forderungen gestreikt.

Seit zwei Jahren und länger sind die Tarifverträge ausgelaufen und die Unternehmer wie auch das Arbeitsministerium und zuständige Kommunalverwaltungen lehnen den Abschluss neuer Vereinbarungen ab. Im Mittelpunkt der Proteste der Streikenden stand die hohnsprechende Diskrepanz zwischen den steigenden Lebenshaltungskosten und den stagnierenden Löhnen. Unter Bezug auf einen Bericht des Verbraucherverbands Consumerismo stellten die Gewerkschaften klar, dass die Preise bei 100 Artikeln von Waren des täglichen Bedarfs und Dienstleistungen in den letzten 20 Jahren auf das Dreifache gestiegen sind, während die Löhne und Gehälter nur um 50 Prozent wuchsen. Und die Inflation galoppiert weiter. Hatte das staatliche Statistikamt ISTAT noch Anfang Februar ein Ansteigen der Inflationsrate für 2022 auf 3,8 bis 4 Prozent prognostiziert, korrigierte es am vergangenen Freitag auf 4,8 Prozent nach oben. Allein für Strom und Gas soll eine "typische" Familie dieses Jahr 2.141 Euro mehr zu berappen haben.

Und das halten Experten noch nicht für das Ende der Fahnenstange. Nach Einschätzung des Präsidenten der Confartigianato (Handwerkskammer), Marco Granelli, werden "die Sanktionen gegen Russland italienische Unternehmen sehr stark treffen". Bereits seit der Krimkrise "haben unsere Verkäufe auf dem russischen Markt Verluste von 24.712 Millionen Euro angehäuft, was einem Durchschnitt von 3 Milliarden Euro pro Jahr entspricht." Betroffen waren vor allem Kleinst- und Kleinunternehmen der Branchen Lebensmittel, Mode, Möbel, Holz, Metalle, die nach Russland Produkte für 2.684 Millionen Euro verkauften, was 34,9 % der italienischen Exporte nach Russland entsprach. Dieser Rückgang hat mit dazu beigetragen, dass 2021 die Zahl der in den Ruin getriebenen Selbständigen gegenüber dem Vorjahr um eine Million auf 4,9 Millionen anstieg. Allein im Oktober 2021 mussten wieder 270.000 mittelständische Betriebe schließen.

Ministerpräsident Draghi hinderte das nicht daran, den Sanktionen der EU vollinhaltlich zuzustimmen, obwohl sie sich, wie Medien schrieben, schwer auf die italienische Wirtschaft auswirken werden, besonders was die Gas-Lieferungen betrifft. Mit den Sanktionen gegen die russische Pipeline werden die USA "Europa, Italien und Deutschland mit dem Rücken an die Wand stellen", stellte das kommunistische Magazin "Contropiano" in seinem Online-Portal klar. Für Italien gehe es "um das Überleben unserer Wirtschaft, da Moskau 30 Prozent des Verbrauchs liefert und wir bei einer Sanktionierung des russischen Gases vor einer dramatischen Situation stehen werden". Der Krieg der USA gegen Russland sei so "auch ein Krieg gegen Europa" und für die Amerikaner eine ausgezeichnete Gelegenheit, "mit den Sanktionen gegen die russische Pipeline Europa zu erdrosseln".

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 12. März 2022

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