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ITALIEN/377: Öl- und Gas-Ressourcen werden mit militärischer Macht gesichert (Gerhard Feldbauer)


Öl- und Gas-Ressourcen werden mit militärischer Macht gesichert

Frühere Kolonie Libyen an erster Stelle im Fokus

von Gerhard Feldbauer, 15. Dezember 2021


Vornehmlich in Gebieten, die bis zum Zweiten Weltkrieg seine Kolonien waren, aber nicht nur dort, sichert sich Italien mit militärischer Gewalt Öl- und Gas-Ressourcen. Das hat die linke Zeitung Manifesto Mitte Dezember, gestützt auf einen Greenpeace-Bericht "Die Sirenen von Öl und Gas im Zeitalter der Klimakrise", enthüllt. Nach dem Rapport betreffen 64 Prozent der italienischen Militärausgaben Einsätze zur Sicherung fossiler Brennstoffe. Insgesamt wurden allein 2021 fast 800 Millionen Euro und in den letzten vier Jahren gut 2,4 Milliarden Euro für diese Militäreinsätze ausgegeben.

Im Fokus des Krieges um fossile Rohstoffe befindet sich vor allem Libyen, das seit Beginn der Eroberung 1912, bei der 14.800 Araber massakriert wurden, bis 1943 italienische Kolonie war. Hier bildet die italienische Kriegsmarine nicht nur die libysche Küstenwache zur Flüchtlingsabwehr aus, sondern sichert unter dem Deckmantel der "Safe-Sea-Operation" vor der libyschen Küste vor allem die Plattformen des Energiekonzerns für Kohlenwasserstoffe Ente Nazionale Idrocarburi (ENI) in internationalen Gewässern.

Verteidigungsminister Lorenzo Guerini vom sozialdemokratischen PD habe in seinem aktuellen Bericht über den Stand der Ausgaben die Priorität des libyschen Einsatzes bestätigt und eingeräumt, dass viele militärische Einsätze "mit dem Schutz fossiler Quellen" verbunden sind. Das beziehe sich auch auf den Irak, wo ohne militärischen Einsatz "unsere Energiesicherheit gefährdet würde" und ein "Zusammenbruch" drohe. Und das betreffe, so der Minister, auch das östliche Mittelmeer, wo "unsere regelmäßigere Präsenz" ebenfalls erforderlich ist, da "die Möglichkeit" der Ausbeutung von Energieressourcen "stark durch den anhaltenden Seestreit bedingt" wird.

Das Terrain der militärischen Operationen Italiens erstrecke sich weiter auf Gebiete wie den Golf von Aden und die Straße von Hormus (im Gebiet der früheren Kolonien Eritrea und Somalia), die als für "unsere Öl- und Gasimporte von strategischer Bedeutung" gelten. Italienisches Militär sei auch an der Gabinia-Operation (gegen See-Piraterie) im Golf von Guinea beteiligt und werde demnächst zur EU-Mission in der Provinz Cabo Delgado (Mosambik) stoßen, wo durch die Auseinandersetzungen mit "Terroristen" laut Minister Guerini "Unterbrechungen im Bergbau" drohten.

Manifesto verweist darauf, dass der Greenpeace-Bericht auch die Militäreinsätze der NATO, der Europäischen Union, Spaniens und Deutschlands anführt und schätzt, dass etwa zwei Drittel der EU-Militäroperationen zur Sicherung der Erkundung, Förderung und den Importen von Gas und Öl verwendet werden. Danach hätten in den letzten vier Jahren Italien, Spanien und Deutschland mehr als 4 Milliarden Euro für die militärische Sicherung ihrer Öl- und Gasressourcen ausgegeben. Während die globale Erwärmung heute die größte Bedrohung für die Menschheit darstellt, heizten die Gas- und Ölindustriellen die Klimakrise durch die Ausbeutung fossiler Brennstoffe an.

Das Blatt zitiert einen Bericht des "Europa-Mittelmeer-Zentrums für Klimaänderungen", demzufolge in Italien von 1999 bis 2018 die Zunahme extremer Wetterrisiken auf etwa 9 % geschätzt wird. Der Bericht verweise auf die von Italien auf der COP26 in Glasgow unterzeichnete "Erklärung zur internationalen öffentlichen Unterstützung für den Übergang zu sauberer Energie" und fordert die Regierung Draghi auf, "die militärische Sicherung fossiler Brennstoffe, deren verheerende Auswirkungen auf die Klimakrise seit langem wissenschaftlich belegt sind, unverzüglich einzustellen". Die Energiebedürfnisse sollten durch Investitionen in erneuerbare Energien gesichert werden.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 12. Februar 2022

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