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ARTIKEL/009: Aufstand in Frankreich - Solidarität in Berlin (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Aufstand in Frankreich - Solidarität in Berlin

von Peter Vlatten, Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin, vom 9. März 2023 -
und mit einem Tagebuch zu den Ereignisse in Frankreich von Sebastian Chwala bis zum 16. März 2023


Aufstand der Franzosen am 7. März gegen die Rentenreform von Macron. Mehr als 70% der Franzosen sind gegen die Reform, die nichts anderes als eine Breitsalve auf die Lebensinteressen der breiten Bevölkerung ist. Zulasten besonders der Ärmsten und ganz zugunsten der in Frankreich prosperierenden Kapitaleliten. Macron und seine Anhänger wollen das Gesetz um jeden Preis durchsetzen, notfalls auch am Parlament vorbei mit miesen undemokratischen Tricks durch Verordnung.

Die Wut der Franzosen über die geplanten Angriffe auf ihre Renten [1] und die undemokratisch arrogante Machtdemonstration der Macronclique, sich über alles und jeden hinwegzusetzen, war nie so groß wie heute seit 1968. Über 3,5 Millionen demonstrierten laut Angaben der Gewerkschaften [2] am 7. März auf den Straßen und Plätzen der V. Republik. Sie blockierten Zugänge, streikten in Fabriken und legten die gesamten öffentlichen Einrichtungen lahm. Auch über den 7. März hinaus werden etliche Aktionen fortgesetzt. Und die nächsten großen Aktionstage stehen an, Schlag auf Schlag am 11. und 15. März. Es zeichnet sich mitten in Europa ein offener Machtkampf ab zwischen einer elitär kapitalistischen Staatsmacht und der breiten Mehrheit der Bevölkerung unter Führung von Gewerkschaften, linken Parteien und einem bunten Bündnis sozialer und ökologischer Bewegungen der Zivilgesellschaft. Man sollte sich keine Illusionen machen. Der Ausgang ist ungewiss. Aber tun wir alles dafür, dass die richtige Seite gewinnt oder zumindest Terrain gewinnen kann.

Die besondere Stärke des französischen Protestes besteht in zweierlei. Die Gewerkschaften und damit die arbeitende Bevölkerung nehmen eine führende Rolle auch in Sozialprotesten wie der Bewegung gegen die Rentenreform ein. Dabei steht zweitens der Zusammenschluss aller gegen das Kapital im Mittelpunkt. Auch die Jungen haben über die Perspektive Lebensarbeitszeit die Rente auf dem Schirm und beteiligen sich massenhaft an den Protesten. Migranten, Frauen, Umwelt- und Friedensaktivisten nehmen ihre Anliegen ernst und kämpfen gemeinsam!

Solidaritätskundgebung in Berlin - Deutschland ist kein Rentenvorbild

In Berlin riefen der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin gemeinsam mit Vertretern der Gewerkschaften und linken Parteien aus dem Bündnis NUPES der französischen Community in Berlin zu einer Solidaritätskundgebung auf. Nachrichten und Stimmung aus Frankreich übertrugen sich auf die fast 100 Teilnehmer vor dem Brandenburger Tor [3]. Deutsche und französische Redner*innen machten umfassend klar, warum die von Macron mit Gewalt vorangetriebene Reform die Lebensperspektive der Franzosen drastisch verschlechtert. Besonders Arme und Frauen und Minderheiten werden abgestraft. Es wäre ein Leichtes, das an die Wand gemalte Rentendefizit durch eine angemessene Besteuerung in Höhe von 2% der superreichen Milliardäre zu vermeiden. Aber das passt nicht zum System Macron, das den Franzosen Bernard Arnault in kürzester Zeit zum reichsten Mann der Welt, noch vor Jeff Bozz oder Elon Musk, befördert hat.

Deutschland ist Vorbild für Macron, aber für uns ist "Altersarmut" nichts Erstrebenswertes. Über 20% der Deutschen Rentner leben in Altersarmut, Tendenz steigend. In Frankreich leben "nur" 10 Prozent der Rentner in Armut. Verglichen mit Deutschland ein hehrer Wert, verglichen mit dem Ziel, dass jeder in Würde altern und sterben soll, noch viel zu hoch. In Deutschland wird die Debatte eröffnet, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre heraufzusetzen. Die Menschen in Frankreich stemmen sich jetzt gegen die Einführung eines Renteneintrittsalters von 64. Sie wollen Ihren Lebensabend nach Jahren harter Arbeit noch erreichen und lebenswert verbringen können und nicht dem Profit- und Hegemoniestreben einer reichen Minderheit zum Fraß vorwerfen.

Wie die Franzosen sich ihr Streikrecht nehmen und gegen die Heraufsetzung des Rentenalters anrennen, das nützt auch uns! "Deutschland muss Französisch lernen", ruft uns der Linkenpolitiker Ferat Kocak zu. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst führen gerade einen erbitterten Kampf um 10,5 % mehr Lohn und Gehalt, um ihren Lebensstandard bei der aktuellen Inflation zu halten. Bei der Post, wo die Basis sich direkter einmischt, sind es sogar 15 %. In Deutschland steigen die Renten, wenn die Löhne steigen. Dies ist ganz praktische Solidarität. Ein Kollege von der CGT forderte uns letzte Woche auf: "Sorgt dafür, dass bei Euch in Deutschland die Einkommen der Beschäftigen und Rentner nicht weiter sinken und das Renteneintrittsalter wenigstens nicht weiter erhöht wird. Wichtig ist, wenn in Europa um uns herum das Niveau hoch ist und unser Kampf Schule macht! Das hilft uns am meisten! Tut Euren Job, Kollegen!" Das tun die Kollegen von ver.di gerade.


Die Ereignisse im Nachbarland kommen selbst am 7. März in den meisten deutschen Nachrichtensendungen erst an dritter oder vierter Stelle. Lediglich der ADAC hält aus pragmatischen Erwägungen die Reisenden nach Frankreich wirklich aktuell auf dem Laufenden.

Sebastian Chwala führt [4] Tagebuch zu den Ereignissen.
Ihr seid eingeladen, mit zu lesen!

7. März 23: "3,5 Millionen Menschen haben heute in Frankreich erneut gegen die von der "macronitischen" Regierung geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters demonstriert. Hatten im Vorfeld dieses 7. März schon die "Sicherheitsorgane" die größte Massenaktion seit Jahrzehnten prophezeit, haben die Menschen in Frankreich diese Befürchtung der Geheimdienste nun in die Tat umgesetzt.

Die Bewegung hat inzwischen das ganze Land und alle gesellschaftlichen Gruppen erfasst. Mehrere dutzend Universitäten sind blockiert. Auch wenn heute wieder die Großstädte wieder die massivsten Proteste melden (Paris: 700.000 Menschen; Marseille: 245.000 Menschen; Toulouse: 120.000 Menschen; Bordeaux:100.000 Menschen; Lille: 100.000 Menschen) manifestiert sich der Widerstand auch weiterhin in den Klein- und Mittelstädten, dem Frankreich der "Unterpräfekturen", wo der Anteil an Arbeiter*innen deutlich höher als in den durch den öffentlichen und privaten Dienstleistungssektor liegt und die hohe körperliche Belastung durch eine längere Lebensarbeitszeit auf besonders hohe Ablehnung stößt.

Dieses Frankreich beteiligte sich heute Morgen auch an zahlreiche Blockaden der Gewerkschaften von Industriezonen, Kreisverkehren und Autobahnen. Stark präsent waren die Gelbwesten. Mindestens bis zum Ende der Woche werden sämtliche Flüssiggasterminals und Gasspeicher bestreikt, dies gilt ebenso für sämtliche Raffinerien. Das Benzin dürfte also wieder knapp werden. Bis morgen wird auch noch der Streik der Bahnbeschäftigten weitergehen.

Trotz dieses massiven Gegenwinds bleibt die Regierung (Macron selbst ergreift in dieser Debatte nicht das Wort und ist auf Staatsbesuch in Afrika) hart. Die Macron-Partei "Renaissance" (Ex-Marschierer) drohte heute noch einmal explizit allen Kritiker*innen in den eigenen Reihen mit dem Ausschluss aus der Parlamentsfraktion, die sich in irgendeiner Weise gegen die "Reform" engagieren.

Diese Ignoranz gegenüber den Protesten dürfte die Aktionen in den nächsten Tagen weiter anheizen. Schon heute ging es bei den Demos deutlich aggressiver zu, als bei den letzten Aktionstagen. Die Frage für die Gewerkschaften, die gerüchteweise für den kommenden Samstag zu einem erneuten Protesttag aufrufen werden, bleibt, ob die soziale Bewegung gegen die geplante Rentenpolitik noch einmal weiter verschärft werden kann."

8. März 23: "Auch am heutigen Tag gehen die Proteste in Frankreich gegen die "Rentenreform" Macrons weiter. Zahlreiche Industriezonen, ÖPNV-Depots und Kreisverkehre wurden erneut besetzt. Zudem werden alle wichtigen Häfen und die Müllabfuhr in der Île-de-France bestreikt. Mehrere dutzend Universitäten bleiben blockiert.

Auf den weiter wachsenden Protest reagiert der "Macronismus" offenbar mit einer weiterer Verschärfung seiner Gangart. Offensichtlich ist man nun bereit, den von mir bereits mehrfach erwähnten Artikel 49.3 der Verfassung zu nutzen, um jede Form der parlamentarischen Debatte endgültig zu beenden. Forderungen nach einem Dialog zwischen Staatspräsidenten bzw. der Premierministerin und Gewerkschaften wurde von Regierungsseite eine Absage erteilt. Die Gewerkschaften rufen deswegen zu zwei weiteren Aktionstagen am 11. und 15. März auf."

9. März 23: "Die Proteste gegen die "Macroniten" und ihre Rentenreform ebben nicht ab. Heute gibt es einen Aktionstag der Schüler*innen und Studierenden gegen das Gesetzesprojekt zu vermelden. Zahlreiche Universitäten und Oberschulen sind blockiert."

11. März: "Erneut haben mindestens huntertausende Menschen am heutigen Samstag gegen die von den "Macroniten" geplante Rentenerhöhung demonstriert. Am kommenden Mittwoch steht dann bereits der nächste große Streiktag an. Über den Stand der politischen Debatte schreibe ich morgen etwas. "

12. März: Nach dem 7. Aktionstag der französischen Gewerkschaften gegen Macron Rentenreform, die wiederum mehr als eine Million Menschen auf die Straße brachte, sind die Fronten verhärteter denn je. Grund ist die Rückkehr des Gesetzespakets in die Nationalversammlung, wo in der nächste Woche die entscheidende Lesung stattfinden wird.

Ich hatte an dieser Stelle schon erwähnt, dass der "Macronismus" jeden Akteur aus den eigenen Reihen, der nächste Woche gegen die "Reform" stimmt, mit dem Ausschluss aus den eigenen Reihen sanktionieren wird. Auch gegenüber den Gewerkschaften, die vergangenen Woche in einem gemeinsam verfassten Brief Gespräche über die Reform zwischen dem Staatspräsidenten und ihren Organisationen forderten, zeigte Macron keinerlei Bereitschaft zu gegenseitigen Konsultationen oder grundsätzlichen Änderungen am Gesetzespaktet.

Im französischen Senat (Zweite Kammer), den aufgrund seines indirekten Wahlrechts (nur 600.000 Wahlberechtigte, die größtenteils Kommunalpolitiker*innen sind) die "Republikaner" dominieren, setzte der "Macronismus" mit der Nutzung des Artikels 44.3 der Verfassug durch, dass nur über den vorliegenden Antragstext der Regierung, nicht aber Änderungsanträge der Opposition (Sozialdemokraten, Kommunisten und Grüne) diskutiert und abgestimmt wurde.

Gerüchteweise könnte in der Nationalversammlung auch erneut der Artikel 49.3 eingesetzt werden, der jede parlamentarische Debatte unmittelbar beendet und das Gesetz als angeommen betrachtet, sollte es nicht zu einem erfolgreiche Mißtrauensvotum der Opposition kommen. Hier gibt es Stimmen, die behaupten, dass es NUPES gelingen könnte, auch Teile der nicht-"macronitischen" Rechten auf ihre Seite zu ziehen, da der gesellschaftliche Druck aufgründ des skandalösen und rücksichtlosen Vorgehens der "Macroniten", die jede Möglichkeit nutzen, um ihre Ingnoranz gegenüber Protestierenden aber auch den Parlamentariern zu zeigen. Die Ablehnung der Reform, die sich einhellig durch die französische Gesellschaft zieht, bekommen nämlich auch rechte Abgeordnete zu spüren.

Natürlich dürfte auch der RN einem Mißtrauensvotum aus reinem Opportinismus zustimmen. Große politische Widersprüche mit dem "Macronismus" zeigen sich nämlich weiterhin nicht. Nicht nur, dass die Partei sich vehement gegen jede Form des Protests oder Streiks ausspricht. Auch jede Form der Verbesserung der materiellen Situation der arbeitenden Klasse wird abgelehnt. So lehnt man weiterhin Preis- und Mietenstopps, sowie Lohnerhöhungen und höhere Steuern auf Vermögen ab.

Die teils militanten Proteste von Gewerkschaften aber auch "normalen" Bürger*innen finden allerdings laut neuesten Umfragen die Zustimmung von 67 Prozent der Französ*innen, die sich zudem mehrheitlich eine Fortsetzung der sozialen Bewegung gegen die "Reform" über ihre potentielle Verabschiedung hinaus wünschen.

13. März: Neuerliche Blockadeaktionen gibt es aus Frankreich am heutigen Montag zu vermelden. Erneut wurden Orte, die volkswirtschaftlich wichtig sind, blockiert. Besondere Beachtung verdient der Streik der Beschäftigten der Pariser Müllabfuhr, der seit dem vergangenen Dienstag andauert und dessen Auswirkungen in der Stadt bereits sichtbar sind.

Erneut haben die Gewerkschaften, vorneweg die CGT, auch zu Blockaden der Häfen für diese Woche aufgerufen. Kernkraftwerke und Raffinerien werden teilweise immer bestreikt. Beschäftige des Energiesektors führen zudem Stromabschaltungen bei prestigeträchtigen Bauobjekten oder Vertreter*innen der politischen Rechten durch, welche die Rentenreform offensiv verteidigen.

14. März: Neuerliche Protest- und Blockadeaktionen gab es in Frankreich heute gegen die Macrons Rentenreform. Am Donnerstag wird die Nationalversammlung erneut über das Gesetzespaket beraten. Ob die "Macroniten" darauf setzten, eine Abstimmung zu riskieren oder die Reform per Verordnung in Kraft setzten wollen, bleibt noch offen. Derweil wird es morgen den 8. Aktionstag geben. Die Gewerkschaften haben für den Donnerstag zu einer Kundgebung vor dem Parlament aufgerufen.


15. März - Umgehung des Parlaments:

Vor der Entscheidung zur Umgehung des Parlaments! Eine angespannte Stimmung herrscht heute in Frankreich bevor die französische Nationaversammlung heute nachmittag zusammentritt, um über Rentenreform der "Macroniten" abzustimmen. Noch ist aber nicht ausgeschlossen, dass die französische Premierministerin Borne zum Artikel 49.3 der Verfassung greift, der das Gesetzespaket per Verordnung in Kraft setzen würde, sollte kein erfolgreiches Mißtrauensvotum gegen die Regierung zustande kommen. Eine parlamentarische Mehrheit für die Erhöhung für die Gesetzesvorlage ist aktuell immer noch unsicher.

Derweil protestieren die Gewerkschaften vor dem Parlament, nachdem auch der heutige Morgen von Blockaden und Streiks geprägt war. Die westfranzösische Großstadt Rennes wurde bei koordinierten Blockaden dabei vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Zeitgleich versucht die französische Regierung den Streik bei der Pariser Müllabfuhr mit Gewalt zu brechen. Staatspräsident Macron hat bereits angekündigt, dass ein Scheitern der Rentenreform zu einer Auflösung des Parlaments führen könnte.

Nach der Entscheidung zur Umgehung des Parlaments! Eine neue Eskalationsstufe im Ringen um Macrons Rentenreform ist erreicht worden. Die französische Regierung wird auf den Artikel 49.3 der französischen Verfassung zurückgreifen, um eine Debatte und finale Abstimmung über das Gesetzespaket zu verhindern, da man eine parlamentarische Niederlage fürchtet. Ein Präsident ohne Mehrheit will eine von der übergroßen Masse der Bevölkerung abgelehnte Refom per "Notverordnung" an allen demokratisch legitmierten Gremien vorbei in Kraft setzten.

Die ultraminoritären "Macroniten" regieren aktuell nur noch mit autokratischer Gewalt. Möglicherweise wird die aktuelle Regierung dieses Mal allerdings tatsächlich durch ein Mißtrauensvotum gestürzt, was nicht nur das Gesetz ersteinmal zu Fall brächte, sondern es auch den Französ*innen höchst warscheinlich ermöglichen würde, ein neues Parlament zu wählen und den "Macroniten" somit auch die Möglichkeit zu nehmen könnte, in Regierungsverantwortung zu bleiben.

Spontane Kundgebung linker Jugendorganisationen gegen Macrons Rentenreform auf dem Place de la Concorde mittten in Paris!

Bilder aus Frankreich vom heutigen Abend. Nach der Erklärung der französischen Regierung, keine Debatten über die Rentenreform mehr führen zu wollen, kamen in vielen französichen Städten spontan tausende Menschen zusammen. Es geht um weit mehr als die Rentenreform. Ein Präsident und eine Regierung, die ohne jede politische Kontrolle regieren wollen, töten die Idee der französischen Republik. Mögen die deutschen Leitmedien heute abend auch noch so absurde Kommentare und Berichte veröffentlichen und der französischen Linken die Verantwortung für Macrons "Notverordnungen für eine mangelnde Kompromissbereitschaft unterstellen.


16. März nach der Entscheidung die demokratischen Institutionen zu umgehen:

Zahlen am Morgen: Laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich 71 Prozent der Französ*innen nächste Woche ein erfolgreiches Mißtrauensvotum gegen die Regierung Borne. Da auch aus den Reihen der "Republikaner" Stimmen zu vernehmen sind, die für eine Ende der Regierung Borne aussprechen (auch wenn es den deutschen Journalist*innen, die direkt der Presseabteiling des Staatspräsidenten Macron entsprungen zu sein scheinen, nicht in den Kram passen mag), könnten die Tage von Frau Borne an der Spitze der französischen Regierung tatsächlich gezählt sein.

Die Welle des Protestes und der Wut in Frankreich reißt nicht ab. Der Versuch der "Macroniten" auf antidemokratische Weise eine Debatte über die eigenen ultraliberale Politik zu unterbinden, greift inzwischen auch auf die Universitäten über. So sind inzwischen mindestens 55 Hochschulen besetzt und/oder blockiert. Auch Schulen sind betroffen.

Zeitgleich gibt es Aufrufe zu neuen spontanen Demonstrationen heute abend. In Paris wollen sich Menschen wiederum vor dem Parlament versammeln, von wo sie gestern abend nur mit äußerster Gewalt durch Polizeieinheiten vertrieben worden sind. Gleichzeitig laufen die Streiks und Blockadeaktionen der letzten Woche weiter. Auch wenn die französische Regierung damit beginnt, den Streik der Müllarbeiter*innen mit Gewalt brechen zu wollen.

Nächste Woche dürften in der französischen Nationalversammlung zwei Mißtrauensanträge auf der Tagesordnung stehen. Ein Antrag wurde eingereicht von der kleinen "zentristischen" Liot-Fraktion (Libertés, Indépendants, Outre-mer et Territoires), der sich die gesamte Linke anschließen wird. Möglicherweise stimmen für diesen Mißtrauensantrag auch Teile der "Republikaner". Einen weiteren Antrag auf Sturz der Regierung wird der RN einreichen. Dieser dürfte sehr warscheinlich keine Chance auf Erfolg haben, da die Linke hier höchst warscheinlich nicht zustimmen wird.


Anmerkungen:

[1] https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/frankreich-unbefristete-streiks-ab-dem-7-maerz/

[2] https://www.cgt.fr/actualites/france/retraite/mobilisation/retraite-une-mobilisation-exceptionnelle-qui-en-appelle-dautres-jusquau-retrait-de-la-reforme

[3] Videos von der Solidaritätskundgebung in Berlin am 7. März 2023:
https://youtu.be/hWPOsfLkrhg
Redebeiträte vor der französischen Botschaft:
https://youtu.be/jjP6PqJm530

[4] Sebastian Chwala ist linker Politologe und lebt in Marburg. Er ist ein mit den Protestbewegungen in Frankreich eng vernetzter Autor, der regelmäßig über die Ereignisse in den Social Media berichtet. Wir danken ihm, seine Berichte hier veröffentlichen zu dürfen.

Link zum Originalartikel:
https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/aufstand-in-frankreich-solidaritaet-in-berlin/
Link zu dem Tagebuch der Ereignisse mit Bildern und einem Upgrade von Peter Vlatten:
https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/frankreich-in-aufruhr-tagebuch-der-ereignisse/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. März 2023

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