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RECHT/077: Regelungen in Hamburg und Hessen zur automatisierten Datenanalyse verfassungswidrig


Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. vom 17.02.2023

Regelungen in Hamburg und Hessen zur automatisierten Datenanalyse verfassungswidrig

Die Humanistische Union begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts


Die Humanistische Union begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2023 zur automatisierten Datenanalyse (1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20). Darin urteilt es, dass § 25a Abs. 1 Alt. 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und § 49 Abs. 1 Alt. 1 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) verfassungswidrig sind. Nach dem Urteil des Gerichts verstoßen sie gegen die informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ergibt. Durch die Bestimmungen sollte die Rechtsgrundlage geschaffen werden, dass Polizeibehörden gespeicherte personenbezogene Daten mittels automatisierter Anwendung im Rahmen einer Datenanalyse (Hessen) oder einer Datenauswertung (Hamburg) weiter verarbeiten können. Für diese Auswertung wird durch die hessische Polizei die Software des US-amerikanischen Unternehmens Palantir eingesetzt, die die Basis der Analyseplattform "HessenData" bildet. In Hamburg wird bisher kein Gebrauch von der Regelung gemacht. Franz-Josef Hanke, Vorsitzender des Ortsverbands Marburg der Humanistischen Union und Journalist, war einer der sieben Beschwerdeführer. Hanke erläutert dazu: "Aufgrund meiner beruflichen Kontakte hätte ich leicht selbst zum Gegenstand polizeilicher Ermittlungen werden können, ohne dafür selbst einen Anlass geboten zu haben."

"Durch das Urteil wird gefährlichen Entwicklungen wie Rasterfahndung und Predictive Policing durch intransparente und häufig diskriminierende Verfahren der Datenauswertung ein Riegel vorgeschoben", so der Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Stefan Hügel. Die beiden weitgehend gleichlautenden Regelungen in §  25a Abs. 1 HSOG und in § 49 Abs. 1 HmbPolDVG schaffen die Rechtsgrundlage dafür, bisher unverbundene, automatisierte Dateien und Datenquellen in Analyseplattformen zu vernetzen und die vorhandenen Datenbestände durch Suchfunktionen systematisch zu erschließen. "Durch die vorgesehenen Maßnahmen sind weitgehende Verknüpfungen von Datenbeständen möglich. Dadurch werden Beziehungen zwischen einem großen Spektrum von Personen, Organisationen und sonstigen Objekten möglich und auswertbar. Die in derartiger Analysesoftware genutzten Algorithmen sind dabei häufig nicht nachvollziehbar und können bei ungünstigen Datenkonstellationen zu diskriminierenden Auswertungen - sogenanntem 'programmiertem Rassismus' führen", stellt Hügel die möglichen Folgen dar.

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die automatisierte Analyse einen eigenen Eingriff in das Recht zur informationellen Selbstbestimmung darstellt. Dies bedürfe damit auch einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die Nutzung solcher Analysesoftware für die Polizeiarbeit sei nicht in allen Fällen unzulässig; es fehle im Gesetz aber an einer ausreichenden Eingriffsschwelle für die Anwendung. Aus dem Urteil ergeben sich Maßstäbe für künftige Anwendungsszenarien, die an die Nutzung solcher Verfahren angelegt werden müssen.

"Erneut musste das Bundesverfassungsgericht der Gesetzgeberin in den Arm fallen, um ein verfassungswidriges Überwachungsgesetz zu verhindern", bewertet Stefan Hügel das Urteil. "Wir werden genau beobachten, ob die Gesetzgeberin die durch das Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen in neuen Gesetzesvorhaben ausreichend umsetzen wird. Auf jeden Fall ist heute ein guter Tag für den Persönlichkeitsschutz und die Bürgerrechte."

Die Verfassungsbeschwerde wurde von einem Bündnis unterstützt und vorbereitet, an dem gemeinsam mit der Humanistischen Union unter anderem die Gesellschaft für Freiheitsrechte, das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) und die Bürgerrechtsorganisation die Datenschützer Rhein-Main beteiligt waren.

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Quelle:
Humanistische Union e.V.
- Bundesgeschäftsstelle -
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Telefon: 030 - 204 502 56, Fax: 030 - 204 502 57
E-Mail: info@humanistische-union.de
Internet: www.humanistische-union.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. Februar 2023

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